Teufelsjagd
Corbett blinzelte wegen der Tränen und sprach in knappen Sätzen von seinem Verlust. Dann unterbrach er sich. »Ranulf«, fragte er, »Maltotes Leiche soll doch nach Leighton zurückgebracht werden, oder?«
»Natürlich. Ich habe Tripham gesagt, daß ich für alle Unkosten aufkommen werde.«
»Das mache ich schon«, meinte Corbett.
»Nein, Herr. Laßt mich. Ich hatte zwei Freunde, und jetzt habe ich nur noch einen.«
Corbett schaute Ranulf direkt an.
»Bin ich schuldig?« fragte er. »Habe ich Maltotes Tod verursacht?«
Ranulf schüttelte den Kopf. »Der Tanz, auf den wir uns eingelassen haben, ist tödlich. Jedem von uns kann das jederzeit passieren. Wir sind Jäger«, meinte er. »Wir jagen in der Dunkelheit, und man vergißt leicht, daß die, die wir jagen, auch uns jagen — ein Messer im Rücken, ein Becher vergifteter Wein, ein unglücklicher Unfall.«
»Und wer, glaubst du, war verantwortlich?«
»Nun, David ap Thomas kann es nicht gewesen sein. Er und seine Anhänger waren im Castle eingesperrt. Es muß der Bellman gewesen sein.«
»Und das heißt«, entgegnete Corbett, »daß Maltote entweder ermordet wurde, weil der Bellman uns warnen Wollte, oder weil ihm Maltote bei irgend etwas im Wege war. Er fiel dem ältesten Trick überhaupt zum Opfer, einem Bettler, der um ein Almosen bittet.« Corbett erhob sich. »Ich werde ihm eine Falle stellen, Ranulf, ich werde Maltotes Mörder finden, und, Gott vergebe mir, ich werde ihn hängen sehen!«
Ranulf blickte ihn herausfordernd an.
»Und das meine ich auch«, beharrte Corbett. »Er wird gefangen werden, und dann wird ihm der Prozeß gemacht werden, und er wird auf dem Schafott sterben!«
Ranulf stand auf. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem von Corbett entfernt.
»Sehr gut, aber laßt mich Euch etwas über das Gesetz des Ranulf-atte-Newgate erzählen: Bei mir gibt es kein Entkommen, von wegen Gefängnis oder Galgen. Hier gilt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben.«
.10.
Corbett wollte schon antworten, als es an der Tür klopfte. Es war Lady Mathilda, Master Moth wie einen Schatten hinter sich. Die alte Dame atmete, auf einen Stock gestützt, schwer.
»Ich komme, Euch mein Beileid auszusprechen.«
Sie hielt Corbett ihre Hand hin, und dieser küßte ihr die Finger. Sofort zog sie sie wieder weg. Corbett schaute sie überrascht an.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Aber alle diese Dinge...«
»Corbett!«
Er drehte sich um. Unter großem Lärm und mit hochrotem Kopf kam Bullock die Treppe herauf.
»Der Herr stehe uns bei!« flüsterte Lady Mathilda. »Nicht der schon wieder.« Sie drehte sich um und rümpfte angewidert die Nase. »Dieser Mann ist doch einfach abstoßend.«
Sie hielt Moth einen Arm hin. Dieser hatte die ganze Zeit kein Auge von ihr gelassen. Sie gingen nebeneinander den Gang entlang und zwangen Bullock so dazu, sich gegen die Wand zu pressen. Der Sheriff schaute ihnen mit zusammengekniffenen Augen nach. Sein rotes Gesicht glänzte von Schweiß.
»Ich bin so schnell ich konnte gekommen!« rief er. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung von Lady Mathilda, die jetzt die Treppe hinabging. »Was wollte die alte Schlampe?«
»Sie kam, um mir ihr Beileid auszusprechen«, sagte Corbett ungeduldig. »Mein Freund Maltote wurde gestern nacht erstochen. Er ist tot.«
Bullock stöhnte. Er schlug die ledernen Satteltaschen, die er trug, gegen sein Bein. »Gott sei ihm gnädig! Christus und die Gottesmutter mögen ihm die ewige Ruhe gewähren!« Er ging mit in Corbetts Zimmer. »Und wer ist der Täter?«
»Das wissen wir nicht. Angeblich ein Bettler, aber wahrscheinlich der Bellman.«
Bullock nickte Ranulf zu, der aufstand, um ihn zu begrüßen.
»Das hier ist ebenfalls vom Bellman.«
Der Sheriff öffnete die Satteltaschen und warf den schon ziemlich mitgenommenen Kadaver einer Krähe auf den Fußboden, die eine Schlinge um den Hals hatte. Ranulf hob sie auf und schleuderte sie, ehe jemand protestieren konnte, aus dem Fenster.
»Was hat das Schwein noch getan?« fragte er.
Bullock reichte Corbett eine Pergamentrolle.
»Zwei davon wurden gestern nacht angeschlagen«, antwortete er. »Eine am Portal von Oxford Hall, die andere an der Vine. Ich ließ zwei Amtmänner vor Sonnenaufgang in der Stadt Streife gehen. Sie fanden diese beiden Proklamationen und die tote Krähe.«
Corbett öffnete das Pergament und las die Worte. Sie schienen ihm förmlich entgegenzuspringen.
»Die Krähe des Königs ist nach
Weitere Kostenlose Bücher