Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
darauf hörte man erneut geschäftiges Geklapper, als Dieter den Schlussangriff auf die Geschirrberge begann. Markus wurde von den beiden Damen in die Küche beordert, um bei der Essensvorbereitung zu helfen.
Walter und Kaltenbach trockneten weiter ab. Das Geschirr wurde ganz allmählich weniger.
»Solche Steine findest du übrigens nicht nur in Irland. Auch in England, aber auch in Frankreich und Spanien. Sogar bei uns.«
»Bei uns?« Kaltenbach war überrascht. »Gab es die Iren auch bei uns?«
Walter lachte. »Das nun gerade nicht. Leider.« Er betrachtete das Glas, das er gerade mit dem Geschirrtuch bearbeitete. »Aber die Iren gehören zu den Kelten. Und die Kelten wiederum gab es früher überall in Europa. Manche sagen, dass alles, was rothaarig ist, keltische Gene hat. Das hat schon die Griechen und Römer fasziniert. Eine keltische Sklavin war etwas ganz Besonderes.«
Kaltenbach staunte. »Und du sagst – auch bei uns? Du meinst hier in der Gegend?«
»Süddeutschland, Österreich, Böhmen – hier gibt es die frühesten Spuren. Geh mal ins Colombi nach Freiburg und schau nach, was die da alles haben.« Auf Kaltenbachs ratlosen Blick fügte er hinzu: »Museum für Ur- und Frühgeschichte. Das lohnt sich.« Er schnippte mit dem Fingernagel an den Glasrand, sodass ein heller Ton erklang. »Die Kelten liebten die Natur. Sie war ihnen heilig. Du musst dir nur mal die Namen von Flüssen und Bergen anschauen. Die Donau zum Beispiel und der Rhein. Die Dreisam heißt auf keltisch die Schnellfließende. Kandel ist Cantos, der Glänzende. Und natürlich der Belchen. Der König aller Berge. Sitz des Sonnengottes Bel.«
Kaltenbachs spöttisches Urteil über Walters Irlandfimmel verwandelte sich allmählich in Hochachtung. »Woher weißt du denn das alles?«
Walter lächelte. Er schwieg für eine kleine Weile. »Man sieht das, was man liebt«, meinte er schließlich. »Und man liebt das, was man kennt.« Er wandte sich den letzten Gläsern zu, die Dieter kunstvoll auf der Spülablage stapelte. »Auf geht’s, wir wollen es hinter uns bringen!«
Sonntag, 4. März, nachmittags
Es war kurz nach drei, als er Luises Nummer in Freiburg wählte. Schon nach dem zweiten Läuten war sie am Apparat. Sein Herz klopfte schneller, als er ihre Stimme hörte.
»Ich habe über deinen Vorschlag nachgedacht«, sagte sie nach einer knappen Begrüßung. »Wir sollten reden. Kannst du vorbeikommen?«
Ihre Direktheit kam überraschend. Für einen Moment wusste er nicht, was er antworten sollte.
»Bist du noch dran?« Sie klang ungeduldig.
Kaltenbach gab sich einen Ruck. »Natürlich. Klar. Ich meine, klar, dass ich kommen kann. Nicht dass ich noch dran bin. Das auch.« Er kam sich vor wie ein Idiot. »Also, was ich sagen will, ich habe heute nichts anderes mehr vor.« Wieder daneben. Er musste sich zusammenreißen. »Wie wäre es in einer Stunde? So um vier?«
»Vier ist prima«, sagte sie. »Ich wohne in St. Georgen. In der Fischerau ist lediglich mein Atelier.« Sie beschrieb in wenigen Worten den Anfahrtsweg.
»Alles klar.«
»Bis gleich.«
Das Klicken in der Leitung ließ ihn wie benommen zurück. Romantischer Esel, dachte er. Sein Verstand kämpfte vergebens gegen das Ziehen und Flattern unter seinem Bauchnabel.
Das penetrante Tuten des Telefons zog ihn zurück in die Gegenwart. Er legte den Hörer auf und ging ins Bad. Das Licht über dem Spiegel blendete ihn, als er mit zusammengekniffenen Augen hineinsah. Die Spuren der Feier waren noch deutlich zu sehen.
Er drehte den Hahn am Waschbecken auf, ließ Wasser in seine Hände laufen und klatschte es auf sein Gesicht. Die Kälte tat ihm augenblicklich gut. Er wiederholte das Ganze noch zwei Mal, dann trocknete er sich ab. Den Viertagebart ließ er stehen. Er würde das Schlimmste überdecken und ihn im günstigsten Fall interessant aussehen lassen.
Dafür kramte er in der Schublade des Badezimmerschränkchens nach einer Haarbürste und versuchte, seine Mähne einigermaßen zu bändigen. Lang oder kurz. Irgendwann muss ich mich entscheiden, dachte er. Aber nicht heute.
Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er kramte erneut in der Schublade, öffnete dann die zweite und zog schließlich unter einem Stapel bunt karierter Frotteewaschlappen eine kleine Flasche hervor. Er öffnete die Verschlusskappe, roch vorsichtig an dem schweren Moschusduft und befeuchtete vorsichtig die Kuppe seines Zeigefingers. Noch einmal roch er daran, dann strich er vorsichtig damit über die Haut
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