Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
das Mitbringsel? Hatte der Engel ihn etwa veralbert?
»Diese verdammten Himmelskreaturen«, zischte er. »Aus denen soll mal einer schlau werden.« Er wollte nach dem Taschenspiegel greifen, doch so oft er es auch versuchte, er entglitt ihm immer wieder. Schließlich gab Luzifer auf. Es spielte auch keine Rolle, ob das Ding da nun herum schwebte oder nicht. Gerade wollte er Zalu den Rückzug befehlen, da begann sich der Spiegel wie wild in der Luft zu drehen. Er sprühte Funken in alle Richtungen, wechselte seine Farbe von Gold in Weiß, dann in Rot und wieder zurück in Gold. Schließlich wurde er größer und veränderte seine Form. Am Schluss stoppte er ruckartig, schwebte auf Luzifer zu und fiel ihm direkt in die Hände. Das war nicht länger ein Taschenspiegel, sondern eine Uhr. Gold mit einem weißen Ziffernblatt und roten Zeigern. In der Mitte prangte ein graues Symbol, das Sonne, Mond und Sterne miteinander verschlungen darstellte.
»Die goldene Uhr aus der Krypta.« Luzifer blieb vor Staunen der Mund offen stehen. »Er ist schon ein Teufelskerl.« Lachend verstaute er die Uhr in seiner Hosentasche. Dafür würde er einen ganz besonderen Platz in seinem Reich finden.
25.
Gondolfus führte ein strenges Regiment. Jeder Schritt und jeder Handgriff war vorher bestimmt. Die Truppe, die unter ihm diente, bestand aus 20 Engeln. Das war eine gute, runde Zahl, wie er fand. Aber Rufus hatte ihm am heutigen Morgen angekündigt, dass ihm ein weiterer Engel unterstellt wird. Das empfand Gondolfus als äußerst schwierig. Es brachte seinen ganzen Einsatzplan durcheinander. Schließlich, nach einer Stunde des Drehens und Wendens, entschloss er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt. Er beurlaubte seinen ersten Putzengel Lysella, um die Neue namens Marafella an deren Stelle einsetzen zu können.
Als die Neue sein Büro erreichte und sich vorstellte, musste er sich eingestehen, dass ihre Schönheit ihn überwältigte. Natürlich besaß sie, wie jeder Engel, von Natur aus ein perfektes Äußeres. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen, zeichnete sie sich auch noch durch eine ganz besondere Ausstrahlung aus. Er musterte sie eingehend, von den goldenen Locken bis hin zu ihren zierlichen nackten Füßen.
»Wie schön«, sagte er und seufzte, wurde sich aber sogleich seines lächerlichen Verhaltens bewusst und räusperte sich. »Wie schön, dich bei uns zu haben, Marafella. Wir sind ein gutes Team. Es wird dir gefallen, mit uns zusammen zu arbeiten.«
»Ja«, gab sie zur Antwort ohne eine Miene zu verziehen. »Putzen, putzen, putzen. Ich kann mir wirklich nichts Schöneres vorstellen.«
»Sag ich doch.« Gondolfus zwinkerte ihr zu. Aus einer Schublade holte er Lysellas Arbeitsplan für diesen Tag hervor. Er strich ihren Namen durch und schrieb »Marafella« darüber. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich davon abhalten, ein Herz daneben zu malen. Stattdessen kritzelte er einen Stern an die Stelle und reichte Marafella den Zettel.
»Was ist das?« Sie besah das Stück Papier in ihren Händen. Ihre Augenbrauen schoben sich immer höher, je weiter sie las.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«, fragte sie dann und blickte Gondolfus direkt in die Augen. Wie hübsch ihre blauen Pupillen aufblitzten! »Da steht, ich soll die komplette Milchstraße blank polieren.«
»Oh, aber ich weiß, was da steht«, sagte er unbeeindruckt. »Ich habe den Plan geschrieben.« Er verstand nicht, weshalb sie sich mit einem Mal so aufplusterte. Lysella hatte diese Aufgabe stets mit viel Freude und in raschem Tempo erledigt.
»Das schaffe ich unmöglich in der vorgegebenen Zeit.« Sie legte den Zettel zurück auf Gondolfus Schreibtisch und erwartete offenbar, dass er irgendetwas an dem Plan änderte. Aber daran dachte er nicht im Traum. Es gab Regeln. Alles war bis ins kleinste Detail bestimmt und jede Störung kostete ihn nur unnötig Nerven. Aber sie ist so hübsch, sprach sein Herz. Nein. Er schüttelte den Kopf. Auch für einen besonderen Engel, wie sie einer war, würde er keine Ausnahme machen.
»Es tut mir wirklich sehr leid«, sagte er. »Du wirst deine Aufgabe erledigen. Dafür wurdest du schließlich hierher geschickt.«
Marafella ließ die Schultern hängen. Es war deutlich, wie sehr diese Situation sie betrübte. Wie gerne hätte er ihr geholfen. Aber er konnte nicht. Er wollte nicht. Seine Pläne durften niemals geändert werden.
Die Luft in der Hexenhütte schien dünn zu werden. Beelzebub hatte sich in eine Art Besenkammer
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