Teufelsleib
ist.«
»Wissen Sie, jeder andere hätte die Fotos zur Seite geschoben oder umgedreht, um sie nicht länger sehen zu müssen, Sie aber können sich gar nicht von ihnen lösen. Herr Neuendorf, haben Sie eine Erklärung dafür, dass vier Frauen, mit denen Sie entweder zusammengearbeitet haben oder die Sie aus der Kirche kannten, umgebracht wurden?«
»Nein. Ich würde es mit Zufall beschreiben, auch wenn Zufall ein leeres, bedeutungsloses Wort ist. Es gibt keinen Zufall, höchstens Schicksal oder Fügung. Das Zusammentreffen zweier Körper an einem bestimmten Punkt. Psychisch und/oder physisch. Ich denke, das ist die Erklärung für Zufall, die ich einmal gehört habe. Nein, es gibt noch die sogenannte Synchronizität der Ereignisse. Nichtssagend, wie ich finde.«
Brandt löste sich von der Wand, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und sah Neuendorf in die Augen.
»Wissen Sie was, mir ist die Bedeutung von Zufall scheißegal. Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen: Hätten Sie nur die Frauen gekannt, die aus Ihrer Gemeinde kommen, ich glaube, ich hätte Sie niemals verdächtigt, etwas mit deren Ermordung zu tun zu haben. Aber Sie haben den Bogen überspannt, denn ich glaube nicht an Zufall, sondern an Bestimmung. Sie waren zu dem Zeitpunkt Lehrer an der Schule, an der Frau Schreiber war, bevor sie ermordet wurde. Und Sie sind der beste Freund der Familie Trautmann … Bleiben wir doch mal beim Zufall: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Umfeld eines Einzelnen so viele Menschen ermordet werden, die er persönlich kennt oder kannte? Eins zu zehn, eins zu hundert, eins zu tausend oder eins zu einer Million? Oder gar eins zu unendlich? Wenn ich heute meine Kollegen losschicke, um noch einmal in Darmstadt nachzufragen, wie gut Sie und Frau Schreiber sich kannten, was glauben Sie, werden sie zu hören bekommen? Das, was Sie mir gesagt haben, oder doch etwas anderes? Dass Sie vielleicht sogar eine Beziehung hatten, von der niemand etwas wissen durfte? Ich sage Ihnen, es weiß immer irgendjemand über irgendetwas Bescheid. Und jetzt dürfen Sie wieder philosophieren, was ich damit meinen könnte.«
»Sie glauben allen Ernstes, mich mit diesen hanebüchenen Ausführungen aus der Reserve locken zu können?«
»Aus was für einer Reserve? Beantworten Sie doch bitte meine Frage: Was werden meine Darmstädter Kollegen zu hören bekommen, wenn sie nach dem Verhältnis zwischen Ihnen und Frau Schreiber fragen?«
»Keine Ahnung.«
»Ich werde es Ihnen sagen: Sie und Frau Schreiber waren mehr als nur kollegial verbunden, Sie waren eng befreundet. Aber da gab es ein Hindernis, nämlich einen reichen, älteren Herrn, dessen Geld eine geradezu magische Anziehungskraft ausübte. Frau Schreiber konnte sich dem nicht entziehen, es ist ja auch nicht gerade die Welt, was die jungen Lehrer heutzutage verdienen. Die wenigsten werden noch verbeamtet, es kostet einfach zu viel … Sie fanden heraus, was für ein Spiel Liane trieb, und da haben Sie beschlossen, sie zu beseitigen. Wenn Sie sie nicht haben durften, dann auch nicht dieser reiche Schnösel.«
»Netter Versuch, aber leider völlig daneben. Und selbst falls – ich betone: falls! – es so gewesen sein sollte, wie wollen Sie das jemals beweisen? Haben Sie meine DNA oder irgendetwas anderes von mir am Tatort gefunden?«
»Nein, weil bis jetzt nicht nach Ihrer DNA oder Ihren Fingerabdrücken gesucht wurde, aber die Kollegen der Darmstädter Spurensicherung haben ganz sicher alles archiviert und können nun alle Proben mit Ihrer DNA und Ihren Fingerabdrücken vergleichen. Und dann wäre da noch das gute alte Telefon. Ein Anruf bei der Telefongesellschaft und beim Mobilfunkanbieter von Frau Schreiber, und wir wissen sehr schnell, wie oft Sie mit ihr telefoniert haben.«
»Natürlich haben wir telefoniert, aber es war immer nur rein beruflich.«
»Rein beruflich also. Und Sie waren nie in diese bildhübsche Lehrerin verliebt? Liane war nicht Ihr Typ, was? Liane, was für ein schöner Name, allein dieser Name. Und wenn ich mir die Fotos anschaue, die zu ihren Lebzeiten gemacht wurden, du meine Güte, da wäre auch ein alter Hase wie ich schwach geworden. Ich bin eben auch nur ein Mann.«
Neuendorfs Nasenflügel bebten, sie blähten sich fast wie Nüstern, als Brandt so über Liane Schreiber sprach, es war, als wollte er gleich aufspringen und seinem Gegenüber an die Gurgel gehen. Doch er beherrschte sich, wollte sich keine Blöße geben.
»Sie hat mir
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