Teufelsleib
drin ist es sehr hell, und Sie tragen keine Brille. Warum nicht?«
Neuendorf lachte kurz auf. »Hm, das mit der Lichtempfindlichkeit ist etwas übertrieben. Manchmal komme ich auch ohne Brille aus. Es ist mehr ein Gag, den ich mir erlaubt habe.«
»Aha. Und heute Nacht ist ein solcher Moment, wo Sie die Brille nicht brauchen«, konstatierte Brandt ironisch. »Herr Neuendorf, wo waren Sie gestern Abend beziehungsweise heute Nacht?«
»Ich meine mich erinnern zu können, Ihnen das gerade eben erklärt zu haben. Oder nicht?«
»Okay, Herr Neuendorf, ich möchte Sie bitten, meinen Kollegen und mich ins Präsidium zu begleiten. Wir würden die Befragung lieber dort durchführen.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Das wird Ihnen nicht viel nützen. Bei Gefahr im Verzug dürfen wir Sie jederzeit mitnehmen. Wenn ich also bitten darf.«
»Gefahr im Verzug? Inwiefern? Sehe ich etwa aus wie eine Bedrohung?«
»Stehen Sie bitte auf und kommen Sie. Wir möchten nur ein paar Dinge überprüfen, das geht aber nur im Präsidium. Angezogen sind Sie ja, Sie können sich noch eine Jacke überziehen und …«
»Darf ich noch mal kurz nach oben?«
»Warum?«
»Nur was holen.«
»Nein, denn die Befragung wird nicht lange dauern. Wir haben ein paar Fragen und wollen Ihnen einige Fotos zeigen, mehr nicht. Sind Sie bereit?«
»Ja, wir können gehen.«
Montag, 5.10 Uhr
B randt brachte Johannes Neuendorf in das Vernehmungszimmer, ließ ihn dort für einen Moment allein und sagte zu Schulze, der vor der Tür geblieben war: »Veranlasse bitte umgehend eine Hausdurchsuchung bei Neuendorf. Die sollen keinen Winkel in seinem Haus und auf dem Grundstück auslassen. Außerdem bitte sein Auto beschlagnahmen und sofort in die KTU damit, die sollen auf kleinste Fasern achten. Ich gehe davon aus, dass er das letzte Opfer, die Preusse, in seinem Wagen transportiert hat. Solltest du den zuständigen Richter oder Staatsanwalt nicht erreichen, dann ohne Beschluss, wegen Gefahr im Verzug. Es geht um das Leben von Erika und Juliane Trautmann. Ansonsten möchte ich dich bitten, der weiteren Vernehmung von hier aus zu folgen und notfalls einzuschreiten, sollte ich mich irgendwie verheddern oder dir etwas einfallen, was wichtig sein könnte. Ich rufe noch schnell bei Frau Klein an, die soll herkommen.«
Er verzog sich in eine Ecke, wo er ungestört telefonieren konnte. Es dauerte, bis Elvira abnahm.
»Ich bin’s. Leg den Mädchen einen Zettel hin und ein paar Euro und mach dich auf den Weg hierher. Ich denke, wir haben ihn.«
»Halbe Stunde, Stunde, reicht das?«, fragte Elvira mit schläfriger Stimme.
»Reicht, ich fang schon mal an. Bis gleich.«
Wieder im Vernehmungszimmer, sagte Brandt, nachdem er das Aufnahmegerät und die Videokamera eingeschaltet hatte: »Möchten Sie etwas zu trinken?«
»Nein danke, Sie sagten ja, es wird nicht lange dauern. Aber darf ich fragen, warum Sie unser Gespräch aufzeichnen?«
»Vorschrift. Herr Neuendorf, wie bereits erwähnt, sind Frau Erika Trautmann und ihre Tochter Juliane seit gestern Abend spurlos verschwunden. Als bester Freund der Familie oder, wie Herr Trautmann es so schön formuliert hat, als Fast-Familienmitglied kennen Sie doch die Gepflogenheiten und Besonderheiten der einzelnen Personen. Wie würden Sie Frau Trautmann beschreiben?«
»Sie ist eine nette, sehr freundliche Frau, die mich tatsächlich wie ein Familienmitglied behandelt. Ich möchte fast sagen wie einen verlorenen Sohn, um das biblische Gleichnis zu verwenden. Und Juliane, nun, sie ist introvertiert, aber nichtsdestoweniger freundlich wie ihre Mutter. Wenn Sie jetzt irgendetwas Negatives von mir hören wollen, dann tut es mir leid, denn damit kann ich nicht dienen. Die Trautmanns sind höchst ehrenwerte Leute, denen mein größter Respekt gilt.«
»Und gab es innerhalb der Familie vielleicht hin und wieder Reibereien? Haben Sie etwas davon mitbekommen?«
»Nein, niemals. Ich kann mir keine harmonischere Familie vorstellen.«
»Haben Sie eine Erklärung für das plötzliche Verschwinden der beiden Frauen?«
»Nein, tut mir leid. Der einzige Grund könnte eine Entführung sein, denn die Trautmanns sind nicht unvermögend.«
»Bis jetzt hat sich kein Entführer gemeldet, und da die Frauen seit nunmehr sechs Stunden überfällig sind, ist das eine lange Zeit. Normalerweise melden sich Entführer innerhalb der ersten zwei Stunden. Das ist eine Faustregel«, sagte Brandt, obwohl es diese Faustregel nicht gab und es bei
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