Teufelsleib
lockern, damit es nicht wieder zu einem Kampf kam. Oder er würde die Arme der Frau vorher fesseln.
Er hatte noch immer mit den Nachwirkungen zu kämpfen, die Augen brannten, der Hals war trocken, in den Lungen steckten tausend unsichtbare Nadeln. Und zwischen den Beinen war ein gewaltiger Druck von dem Stoß, den Yvonne ihm verpasst hatte. Aber diese Schmerzen würden vergehen, und er würde es allen Huren zeigen, und er würde es auch der Polizei zeigen, diesen arroganten, nichtsnutzigen Schnöseln, die er nicht mehr ernst nehmen konnte, seit er sieben Jahre alt war.
Er trank zwei Gläser Wasser, aß eine Banane und einen Apfel, duschte und setzte sich ins Wohnzimmer und hörte Musik, die durch die Kopfhörer direkt in sein Gehirn dröhnte. Metallica und anschließend Slayer. Er brauchte das.
Um halb fünf legte er sich ins Bett. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte an die Decke, unzählige Gedanken waren in ihm. Mal gute, mal böse. Mal düstere, mal heitere. Alles war in seinem Kopf. Das ganze Universum.
Draußen war es kalt, es hatte wieder angefangen zu schneien, seit November schon war es überdurchschnittlich kalt gewesen. Und wenn man den Wetterfröschen Glauben schenken durfte, würde es noch ein sehr langer und kalter Winter werden. Doch das interessierte ihn nicht, vielmehr ließ er die vergangenen Stunden Revue passieren. Er war gespannt, wann sie die Leiche finden würden.
Auch wenn ihm maximal drei Stunden Schlaf blieben, der Tag würde gut verlaufen. Er würde um acht Uhr nach Frankfurt in ein Nobelviertel am Westhafen fahren und danach normal zur Arbeit gehen und später in die Kirche, ein Ort, an dem er sich heimisch und geborgen fühlte, so dachten es zumindest die anderen. Aber das war alles unwichtig, denn es warteten noch so viele Aufgaben auf ihn.
Donnerstag, 17.45 Uhr
P eter Brandt saß mit Bernhard Spitzer in dessen Büro und ließ den Tag bei einer Tasse Kaffee ausklingen. Die vergangenen Wochen waren – sah man vom gestrigen Tag ab – relativ ruhig geblieben, die Ermittlungen in den beiden Mordfällen vom letzten Jahr liefen noch, wenn auch in gedrosseltem Tempo, die Soko war von ursprünglich fünfzehn auf sechs Beamte reduziert worden, da die Hoffnung schwand, die Fälle in absehbarer Zeit aufzuklären. Und irgendwann, in ein oder zwei Jahren, würde man die Akten zu den ungelösten Fällen legen, wo sie verstauben würden, bis ihnen vielleicht der Zufall zu Hilfe kam oder ein junger, dynamischer Beamter sie sich vornahm und einen völlig neuen Lösungsweg entdeckte.
»Du«, sagte Spitzer, der sich zurückgelehnt hatte, die Füße auf dem Schreibtisch, »wann hast du das letzte Mal mit Nicole gesprochen?«
»An Heiligabend, wir haben telefoniert und uns gegenseitig alles Gute gewünscht. Warum?«
»Ich meine nur. Ist schon ein bisschen komisch, dass sie seit beinahe fünf Wochen krankgeschrieben ist, ohne dass wir wissen, was ihr fehlt. Das mit der Grippe glaube ich inzwischen nicht mehr.«
»So was kann dauern. Und du weißt selbst, wie anfällig sie gerade in der Beziehung ist. Vielleicht ist’s ja die Schweinegrippe. Aber das glaube ich eigentlich nicht, denn sie war ja schon im Oktober und November für jeweils zwei Wochen krankgeschrieben.«
»Ich weiß, deswegen mach ich mir ja Gedanken.«
»Wenn du dir Gedanken machst, dann frag sie doch, was sie wirklich hat, du bist schließlich ihr Vorgesetzter«, meinte Brandt, nahm seinen Becher und sagte: »Du auch noch mal?«
»Ja, bitte, obwohl ich nicht mehr lange bleiben will. Ich möchte einmal wieder vor sieben zu Hause sein und mit meiner Familie zu Abend essen.«
Brandt füllte beide Becher nach und schlug die Beine übereinander. »Jetzt komm, du kannst doch mal ganz unverbindlich nachfragen, was mit ihr ist. Oder traust du dich nicht?«
»Was heißt hier trauen. Sie ist seit bald zwanzig Jahren bei der Truppe, und ich will sie nicht einfach so fragen. Ich meine, ich will nicht den Eindruck erwecken, als würde ich ihr hinterherschnüffeln. Selbst für eine Grippe sind fast fünf Wochen reichlich viel, findest du nicht?«, sagte Spitzer und nahm seinen Kaffee, den Blick nach unten gerichtet, als traute er sich nicht, Brandt anzusehen. »Was wäre denn, wenn du mal zu ihr hinfährst und dir ganz unverbindlich ein Bild von ihr machst? Ihr seid schließlich Partner.«
Brandt lachte auf, auch wenn ihm nach dem hinter ihm liegenden Tag nicht danach zumute war. Es war ein Tag der dritten oder vierten
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