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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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blutunterlaufenen Augen war wie eingebrannt das Entsetzen zu lesen. Sie war doch erst zweiunddreißig und hatte noch das ganze Leben vor sich, sie hatte so viele Pläne gehabt und war der festen Überzeugung gewesen, ewig zu leben. Doch die Ewigkeit hatte nur zweiunddreißig Jahre, zwei Monate und sieben Tage gedauert.
    Er blickte auf die Tote, die nicht nur uriniert, sondern am Ende auch den Darm entleert hatte, schürzte die Lippen und stieß einen kaum vernehmlichen Fluch aus, überlegte, ob er das Bett sauber machen sollte, und verwarf diesen Gedanken wieder. Sollte die Polizei sich darum kümmern.
    Stattdessen zog er die Handschuhe an, spülte die Gläser, aus denen sie getrunken hatten, und stellte sie in den Schrank. Danach reinigte er alles, wo er Fingerabdrücke hinterlassen hatte, steckte die beiden benutzten Kondome ein und vergewisserte sich, dass er nichts übersehen hatte, was unter Umständen die Polizei auf seine Spur lenken könnte. Er ging ins Bad und hielt ein großes Handtuch unter den Wasserhahn, wrang es aus, säuberte damit Yvonne und trocknete sie anschließend mit einem anderen Handtuch ab, hob sie hoch und drehte sie auf den Rücken, wobei er darauf achtete, nicht mit dem Kot in Berührung zu kommen. Die Ausscheidungen würde er demonstrativ liegen lassen, sozusagen als kleines Schmankerl für die Beamten.
    Er fesselte ihre Arme an die Bettpfosten, spreizte die Beine und richtete den Kopf so, dass ihre toten Augen direkt in den Spiegel an der Decke blickten. Er holte ein Päckchen aus der Innentasche seines Mantels, öffnete ihren Mund und legte ihr etwas zwischen die Lippen, etwas, was man diesmal nicht übersehen würde. Bei den ersten beiden Morden in Offenbach war er noch nicht so versiert gewesen. Doch jetzt stimmte alles, die ganze Choreographie, die gesamte Szenerie. Wie gemalt, dachte er und lächelte. Danach legte er etwas auf den Nachtschrank und zum Schluss noch etwas in Yvonnes Hand.
    Er nahm ein Messer, das er mitgebracht hatte, und zog einen langen, aber nur oberflächlichen Schnitt vom Hals bis zum Schambein und einen weiteren unter den Rippen von der rechten zur linken Seite.
    Nachdem er sein Werk verrichtet und für gut befunden hatte, packte er seine wenigen Sachen zusammen, schenkte der einst so wunderschönen Toten einen letzten, fast wehmütigen Blick und sagte leise: »Du bist schön, so unglaublich schön. Nein, das trifft es nicht, du bist überirdisch schön … Aber Schönheit ist nicht alles, meine Liebe, das musstest du soeben schmerzlich erfahren. Na ja, was soll’s, du wärst so oder so gestorben, ob jetzt oder in zehn oder fünfzig Jahren, denn Zeit ist relativ. Aber du kannst dich glücklich schätzen, dass du so bildschön gestorben bist. Tja, c’est la vie, ma chère!«
    Er öffnete leise die Tür, der Gang war leer. Er löschte das Licht und zog die Tür hinter sich zu. Unbemerkt verließ er das Haus. Und er würde nicht wiederkommen, denn seine Arbeit war getan. Er hatte Yvonnes Handy und den Schlüssel für den Mercedes eingesteckt und fuhr in die Frankfurter Straße, wo er in seinen Wagen umstieg. Den Schlüssel des Mercedes nahm er als Souvenir mit.
    Um 3.47 Uhr an diesem eisigen Freitagmorgen langte er zu Hause an. Er war müde und erschöpft und gleichzeitig von einem unbeschreiblichen Hochgefühl erfüllt, ein Hochgefühl so stark und mächtig, wie er es bei den anderen Frauen nicht erlebt hatte. Der Mord an Anika Zeidler war geradezu ein Kinderspiel gewesen, denn da wusste er längst, dass es nicht schwer war, jemanden zu töten. Bereits sein erster Mord an einer Kollegin war leichter gewesen, als er es erwartet hatte. Allerdings musste er sich rückblickend betrachtet eingestehen, bei den ersten drei Morden nicht allzu professionell vorgegangen zu sein. Beim vierten an Bettina Schubert hatte er es übertrieben, aber er war so in Fahrt gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie seine Handlungen an jenem Abend immer unkontrollierter wurden.
    Der Mord von heute Nacht wäre beinahe perfekt gelungen, wäre er nicht für einen Augenblick unachtsam gewesen. Und er gestand sich ein, dass er noch immer nicht professionell genug war. Yvonne wäre ihm fast entkommen, und er wollte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, hätte sie statt des Pfeffersprays die Pistole in die Hand bekommen. Trotzdem war er zufrieden, auch wenn es noch die eine oder andere Feinheit gab, die es zu verbessern galt. So würde er beim nächsten Mal die Schlinge nicht

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