Teufelsleib
nicht leicht, Ihnen diese Nachricht zu überbringen, und wir denken dabei in allererster Linie an die Kinder, die ihre Mutter verloren haben. Aber ich will auch nicht um den heißen Brei herumreden: Frau Maurer hat ein Doppelleben geführt …«
»Nein! Nein, nein, nein!«, stieß Miriam Weber hervor und hielt sich die Hände vors Gesicht. »Das stimmt doch nicht, das ist nicht wahr! Nicht Linda.«
»Meine Frau hat recht, Linda und ein Doppelleben, das passt nicht zusammen. Wie soll denn dieses andere Leben ausgesehen haben? Hat sie vielleicht als … Nein, ich will es gar nicht aussprechen, weil es einfach zu absurd ist. Ich …«
»Herr Weber, sie hat nicht als Putzfrau gearbeitet, schon lange nicht mehr. Sie hat sich mit Männern getroffen und sehr viel Geld verdient. Es ist doch verständlich, dass sie Ihnen nichts davon erzählt hat. Jeder sollte denken, dass sie den Unterhalt für ihre Familie als Putzkraft verdient. Das ist doch allemal ehrenwerter, als den Körper zu verkaufen.«
Weber verengte die Augen zu winzigen Schlitzen, als wollte er sich gleich auf die Beamten stürzen. »Sie behaupten allen Ernstes, Linda hätte als Prostituierte gearbeitet?«
»Ja, unter anderem.«
»Was heißt unter anderem?«
»Sie hat Männer begleitet, in die Oper, ins Theater, zum Essen.«
»Woher haben Sie all diese Informationen?«, fragte Herr Weber weiter, während seine Frau in Schockstarre verfallen zu sein schien und das Gespräch wie aus weiter Ferne verfolgte.
»Von einer anderen Dame, die mit ihr befreundet war und im gleichen Geschäft tätig ist. Sie hat mir auch erzählt, dass Ihre Schwägerin Schuldgefühle gegenüber den Kindern hatte, weil sie sie so oft allein ließ, obwohl sie am liebsten rund um die Uhr für sie dagewesen wäre. Aber Sie kennen die familiäre Situation der Maurers am besten und wissen, dass sie ein schweres Los hatte. Sie hat es in erster Linie für die Kinder getan, damit sie es einmal besser haben als sie.«
»Ich fasse es nicht! Linda – eine Hure!«
Weber sprang auf und ging in dem Zimmer wie ein Tiger auf und ab. Schließlich blieb er stehen und sah Brandt giftig an. »Sie hat ihren Namen und ihre Herkunft mit Schmutz beschmiert … Diese ganze Familie ist ein einziger asozialer Haufen.«
»Stopp, es reicht, Herr Weber!«, wies ihn Elvira Klein zurecht. Sie stellte sich vor Weber und sah ihn mit eisigem Blick an. Dazu kam eine Schärfe in der Stimme, die ihn zusammenzucken ließ. »Ich denke, Sie haben nicht das Recht, über Ihre Schwägerin ein Urteil zu fällen, denn ich behaupte einfach mal, dass Sie zwar die Lebensumstände von Frau Maurer kannten, sich aber in keinster Weise in ihre Situation hineinversetzen konnten und auch nicht können. Sie wissen nicht, was sie veranlasst hat, dieses Doppelleben zu wählen. Das wusste sie, und deshalb hat sie es Ihnen allen verschwiegen. War sie deswegen eine böse Frau? Oder eine schlechte Mutter? Kommen Sie, sagen Sie’s!«
»Ach, halten Sie den Mund, Sie verstehen doch gar nichts«, entgegnete er schroff und machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Ich verstehe viel mehr, als Sie vielleicht denken, Herr Weber. Und ich bitte Sie, ein wenig mehr Respekt für Ihre Schwägerin aufzubringen. Und auch Respekt gegenüber Ihrer Frau, die sie soeben sehr beleidigt haben. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Ihre Schwägerin ist tot, sie wurde ermordet. Wäre da nicht ein bisschen Mitleid angebracht?«
»Sind Sie fertig mit Ihrer Moralpredigt? Dann will ich Ihnen mal etwas sagen: Hätte sie nicht als Hure gearbeitet, würde sie heute noch leben. Das ist eine Tatsache.«
»Woher wollen Sie das wissen? Und das Wort Hure trifft auf Ihre Schwägerin nicht zu, sie war keine im klassischen Sinn. Wenn sie welche sehen wollen, gehen Sie ins Bordell. Und ich möchte Sie jetzt dringend bitten, die abfälligen Bemerkungen über Ihre Schwägerin zu unterlassen.«
Miriam Weber hatte sich aus ihrer Starre befreit. »Gerd, bitte, setz dich wieder. Die Beamten haben recht, wir dürfen nicht über Linda urteilen …«
»Wieso nicht? Sie parkt die Kinder permanent bei uns, während sie sich mit Männern vergnügt! Ich bitte dich, verlogener kann ein Mensch doch nicht sein. Spielt uns die heilige Johanna der Schlachthöfe vor und treibt’s mit jedem. Eine Hure in unserem Haus …«
»Wir mussten Ihnen eine traurige Botschaft überbringen, und nun muss ich feststellen, dass Sie, Herr Weber, nicht sonderlich traurig zu sein scheinen. Statt
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