Teufelsleib
Weber wissen.
»Nein, bis jetzt nicht. Aber wir werden eine Sonderkommission bilden und alles tun, um den Mörder Ihrer Schwester zu finden.«
»Denken Sie, es war ein Freier?«
»Wir ermitteln in alle nur denkbaren Richtungen.«
»Und jetzt müssen wir es den Kindern beibringen«, konstatierte Miriam Weber, die seit einigen Minuten völlig gefasst wirkte.
»Ja, ich denke, es wäre besser, wenn Sie das übernehmen würden, Sie kennen die beiden und wissen, wie Sie mit ihnen umgehen müssen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie die richtigen Worte finden.«
»Hat Linda überhaupt jemals als Putzfrau gearbeitet?«
»Ja, vor etwa zweieinhalb Jahren ist sie dort ausgestiegen. Sie war eine schöne und beeindruckende Frau.«
»Wie wollen Sie das beurteilen?«, fragte Gerd Weber bitter.
»Ihre Freundin hat sie sehr eindrücklich geschildert.«
»Darf ich den Namen dieser Freundin erfahren?«, fragte Miriam Weber.
»Nein, das fällt unter den Datenschutz. Aber vielleicht kommt sie zur Beerdigung und gibt sich Ihnen gegenüber zu erkennen.«
»Weiß Dieter schon Bescheid?«
»Wir werden es ihm morgen sagen. Oder möchten Sie das übernehmen?«
»Möchten wir?«, wiederholte Gerd Weber die Frage. »Ja, wir werden es ihm sagen und ihm gleichzeitig klarmachen, dass er seine Kinder nie mehr wiedersehen wird.«
Miriam Weber fügte hinzu: »Er wird es sowieso nicht richtig wahrnehmen. Er hat sie all die Jahre hinweg wie Dreck behandelt, das kann ich ja jetzt sagen. Er hat sie niedergemacht, gedemütigt und auch geschlagen. Er ist einer der miesesten Typen, die ich kenne. Jetzt soll er mal zusehen, wie er alleine zurechtkommt. Aber Linda wird mir unendlich fehlen, sie war meine Schwester und meine Freundin. Wir werden nicht mehr zusammen essen, nicht mehr sonntags in die Kirche gehen …«
»Apropos Kirche«, fiel Brandt ihr ins Wort. »Ich habe davon gehört, dass Sie alle gemeinsam die Kirche besucht haben. Darf ich fragen, welche Kirche das ist?«
»Die Andreas-Gemeinde hier in Bieber. Warum fragen Sie?«
»Nur so. Sind Sie dort engagiert?«
»Nun ja«, meldete sich Gerd Weber wieder zu Wort, »wir sind seit einem Jahr im Kirchenvorstand und singen im Kirchenchor mit …« Nach einer kleinen Pause fügte er mit leiser und doch fester Stimme hinzu: »Ich möchte mich in aller Form für meinen ungehörigen Ausbruch vorhin entschuldigen. Ich bitte Sie, diese Entschuldigung anzunehmen. Sie haben recht, jeder Mensch hat seine Geheimnisse und dunklen Seiten, aber nur Gott richtet. Nur …«
Brandt hob die Hand. »Es ist in Ordnung. Wenn wir noch irgendetwas für Sie tun können, lassen Sie es uns wissen. Sollten Sie ärztlichen oder psychologischen Beistand benötigen, wir haben immer Adressen bei uns.«
»Nein, ich denke, das ist nicht nötig«, sagte Miriam Weber. »Wir werden uns mit unserem Pfarrer in Verbindung setzen und mit Familie Trautmann aus unserer Gemeinde, denen wir eng verbunden sind. Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber mein Mann und ich wären jetzt gerne allein, damit wir es den Kindern beibringen können. Es wird ein Schock für sie sein …«
»Möglicherweise wird es nicht so schlimm, wie Sie befürchten. Hat Lara Ihnen von ihrem Traum erzählt?«
»Was für ein Traum?«
»Fragen Sie sie danach. Und haben Sie mir nicht erzählt, dass Lara ganz außergewöhnliche Fähigkeiten besitzt? Ich denke, sie weiß längst, dass ihre Mutter tot ist, braucht aber noch die Bestätigung. Gewissheit ist allemal besser, als lange in Ungewissheit zu leben. Ich habe sehr viele Vermisstenfälle bearbeitet und weiß, wie schlimm es für Angehörige und Freunde ist, wenn sie nicht wissen, was mit dem geliebten Menschen passiert ist.«
»Vielleicht haben Sie recht. Ich kann nur hoffen, dass sie es gefasst aufnehmen.«
Brandt und Klein erhoben sich, reichten den Webers die Hand und wurden von ihnen zur Tür begleitet. Miriam Weber hatte wieder Tränen in den Augen, als sie den Beamten nachsah und wartete, bis sie in das Auto eingestiegen waren, als wollte sie nicht ins Haus zurück, bis ihr Mann sie bei der Schulter fasste und sanft wieder hineinführte. Er schloss die Tür hinter ihr. Das Licht im Flur wurde ausgeschaltet, Elvira Klein sah Lara Maurer hinter dem Fenster stehen, und sie meinte, in dem Gesicht des Mädchens eine unendliche Traurigkeit zu erkennen. Und diese Traurigkeit würde in unfassbare Trauer umschlagen, sobald sie erfuhr, dass ihre geliebte Mutter tot war. Ihr Traum, aber auch ihr
Weitere Kostenlose Bücher