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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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dem Weg zum größten Schotterwerk der Region.
    Â»Fahr mal links«, sagte Hecht, als sie an Seuversholz vorbeikamen. Eine schmale Straße führte zu einer einsam gelegenen Wirtschaft, der »Ziegelhütte«, neben der in einer Koppel ein Rudel Hirsche graste. Durch ein Waldstück ging es zum Dörfchen Heiligenkreuz. Am Ortsende folgte Morgenstern einer staubigen Schotterstraße, die kerzengerade nach Norden führte. Ganz nahe im Westen begann dunkel der Wald. Und vor ihnen verlief einsam eine gewaltige Hecke. Es war keine der kümmerlichen Hagebutten- und Schlehenhecken, die man noch hie und da in der durch sogenannte Flurbereinigungen ausgeräumten Agrarlandschaft fand, sondern eine aus haushohen Bäumen und unzähligen Sträuchern bestehende Linie, nur gelegentlich durch Feldwege durchbrochen.
    Â»Da vorne, das ist der Limes, sagt zumindest meine Karte«, sagte Hecht.
    Â»Dieser komische Baumstreifen?«
    Â»Es kann nicht anders sein. Also halt mal die Augen offen. Irgendwo hier müssen unsere Römer marschieren.«
    Morgenstern ließ den Wagen ausrollen und parkte ihn neben dem Schotterweg auf einer abgemähten Wiese. Sie stiegen aus.
    Â»Hier war einmal die bestbewachte Grenze der ganzen Welt«, sagte Hecht kopfschüttelnd. »Der Eiserne Vorhang des Altertums. Da muss man erst einmal drauf kommen.«
    Â»Ach, von der Berliner Mauer ist doch auch nichts mehr zu sehen«, erwiderte Morgenstern. »Da muss man froh sein, wenn sie wenigstens noch ein paar Betonwände zur Erinnerung stehen lassen. Heute wissen nur noch Fachleute, wo genau einmal der Todesstreifen verlaufen ist, dabei ist die Grenze erst 1989 gefallen.«
    Â»Hier war der Mauerfall schon im Jahr 233«, verkündete Hecht. »Das habe ich auf der Homepage vom Römerpark gelesen.«
    Â»Angeber«, konterte Morgenstern.
    Der Schotterweg durchtrennte den Lauf der kilometerlangen, wie mit der Schnur gezogenen Hecke mit einem senkrechten, fast chirurgischen Schnitt. Zu beiden Seiten, so sahen sie nun, verliefen unscheinbare landwirtschaftliche Feldwege, gerade breit genug, damit die Bauern zu ihren Feldern gelangen konnten. Der Limes selbst wäre trotz der großen Bäume von einer gewöhnlichen Hecke auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden gewesen, wenn da nicht die unglaubliche Länge gewesen wäre. Fast sieben Kilometer lang, so entnahm Morgenstern seiner Karte, verlief die uralte Demarkationslinie hier auf der Jurahochfläche über freies Feld, ehe sie zur Linken wie zur Rechten im dichten Wald abtauchte. Aus der Luft musste das ein eindrucksvolles Bild sein.
    Die Hecke selbst stand auf einem Durcheinander von bemoosten Steinen. Eine echte Mauerstruktur konnte Morgenstern jedenfalls nicht erkennen. Alles wirkte eher wie eine der Halden aus Lesesteinen, die die Bauern auf der Jurahöhe vielfach angelegt hatten, wenn sie ihre steinigen, kargen Äcker zur Bewirtschaftung vorbereiteten. Offenbar war auch der verfallene Limes im Laufe der Jahrhunderte in diesem Abschnitt eher vergrößert als verkleinert worden, weil die Bauern die gesammelten Feldsteine einfach in die vorhandene Hecke gekippt hatten.
    Hecht machte sich gerade einen Spaß daraus, auf dem Schotterweg mal auf die eine, mal auf die andere Seite der Hecke zu gehen. »Römer – Germane – Römer – Germane«, rief er jedes Mal.
    Morgenstern, immer noch mit der Karte in der Hand, grinste und deutete nach Norden. »Da drüben, zwei Kilometer weiter, fängt Franken an. Das freie Franken. Du kannst mir sagen, was du willst: Diese Grenze besteht in den Köpfen bis zum heutigen Tag.«
    Hecht hörte aber schon nicht mehr richtig zu. »Da drüben kommen sie«, sagte er und wies nach Osten, wo nun in der prallen Sonne immer wieder ein metallenes Glitzern zu erkennen war, das stetig näher kam.
    Keine fünf Minuten später standen die Soldaten, im Schlepptau einen großen grauen Esel, vor Hecht und Morgenstern.
    Â»Legionäre: Halt!«, rief der Zenturio, für jedermann erkennbar an seinem roten Helmbusch, und hob theatralisch die rechte Hand. Die Gruppe bestand aus fünf Männern, die ihren Anführer angesichts der unbekannten Zivilisten fragend ansahen.
    Â»Wir machen eine Pause«, sagte der Zenturio, der es offenbar leid war, unablässig in einem imitierten römischen Kasernenhofton sprechen zu müssen. »Ihr könnt euer

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