Teufelsmauer
hat das doch quasi gelernt.«
Anna Russer atmete tief durch, und Morgenstern erschnupperte einen deutlichen Hauch von Knoblauch, den er zuvor nicht wahrgenommen hatte. »Der Gundekar macht es sich ganz leicht. Der sagt immer nur âºleben und leben lassenâ¹. Und ich habe den Verdacht, dass er fast nicht mehr in die Kirche geht. Vom Beichtsakrament ganz zu schweigen.«
»Und genau so halte ich das auch«, sagte Morgenstern erleichtert und hielt das für ein gelungenes Schlusswort. Er versicherte sich, dass er die Telefonnummer des Zenturio eingesteckt hatte, drückte der verdutzten Anna Russer kurz die Hand, eilte ins Treppenhaus zu seinen Stiefeln, packte sie und hastete, noch in Socken, die Stufen hinab.
»Leben und leben lassen«, brummte er. Wenn Gundekar Russer dieses Prinzip wirklich ernst nahm, dann konnte er nichts damit zu tun haben, dass Barbie Breitenhiller tot war.
MITTWOCH
»Zenturio Carolus-Enricus. Ave!« Die Stimme am Telefon hörte sich markig und befehlsgewohnt an.
»Wie bitte? Spreche ich hier mit Karl-Heinz Rehling?«, fragte Morgenstern nach. Er saà in seinem Büro und hatte die Handynummer des Oberlegionärs gewählt.
»Carolus-Enricus«, wiederholte der Mann auf der anderen Seite. »Zenturio der Neunten Vindelikischen Kohorte.«
Morgenstern stellte sich kurz vor. »Wir würden gerne mit einem Ihrer Legionäre sprechen. Mit Herrn Russer.«
»Aha. Unser Signifer. Da haben Sie aber Glück, dass Sie mich erwischen«, sagte der Zenturio leutselig. »Ich schalte das Handy nämlich bloà morgens und abends für eine Stunde ein, damit wir im Notfall erreichbar sind. Wir meinen das ernst mit unserem Limesmarsch. Alles ganz original, wie im Jahr 200 nach Christus.«
»Und wo sind Sie jetzt im Moment?«, fragte Morgenstern.
»Am östlichen Ortsrand von Erkertshofen, das ist in der Gemeinde Titting. Da steht ein steinerner Limesturm, der irgendwann rekonstruiert worden ist. Wir haben auf dem Sportplatz daneben übernachtet. Jetzt packen wir unser Lager zusammen und marschieren weiter. Ãber Petersbuch und Raitenbuch nach Burgsalach. Die Burgsalacher haben einen Wachturm aus Holz, und dahinter, tief im Wald, sind die Grundmauern eines kleinen Kastells. Das ist der Burgus. Dort wollen wir heute Abend unser Lager aufschlagen. Und morgen geht es dann weiter bis nach Ellingen. Zum Kastell Sablonetum.«
»Strammes Pensum«, sagte Morgenstern und überlegte kurz, ob er den Zenturio samt Legionären verpflichten sollte, in Erkertshofen zu warten, entschied dann aber, deren perfekt durchstrukturierten Zeitplan nicht ins Wanken zu bringen. »Mein Kollege und ich werden versuchen, Sie irgendwo auf der Strecke zu treffen. Und sagen Sie Herrn Russer bitte nichts von unserem Telefonat.«
»Geht in Ordnung, Herr Kriminaloberkommissar.«
Morgenstern stellte mit Erstaunen fest, dass sich Zenturio Rehling seinen Rang gemerkt hatte. Der Mann hatte eindeutig Sinn für Hierarchien.
Mittlerweile war Hecht ins Büro gekommen und wedelte mit einem Packen Computerausdrucke, den er aus dem Sekretariat geholt hatte. »Ich habe vorhin im Internet mal ein bisschen nach dem Augustus-Park geforscht. Das ist jetzt schon der dritte Standort, an dem das Ding gebaut werden soll«, sagte er.
»Wie das?«, fragte Morgenstern.
»Zuerst war der Park irgendwo bei Gunzenhausen geplant. Da ist nichts draus geworden, Bürgerproteste und solche Sachen, weil alle den Verkehr fürchten. Dann hat ein Betreiber jahrelang versucht, das Projekt in der Nähe von Ellingen auf die Beine zu stellen, ganz nahe an der BundesstraÃe 2. Die hatten sogar schon die Grundstücke zur Verfügung. Dann ist die Planungsfirma in den Konkurs geschliddert. Sieht so aus, als ob sich keine Investoren gefunden haben. Die Sache steht unter keinem guten Stern, das lässt sich eindeutig sagen.«
»Der Fluch der Teufelsmauer«, bemerkte Morgenstern lapidar. »Und wie kommt nun ausgerechnet unser Bauer Breitenhiller aus Hirnstetten an diese Sache?«
Hecht schien auf die Frage gewartet zu haben und tippte auf die auf Morgensterns Schreibtisch ausgebreitete Landkarte. »Von Hirnstetten aus ist es bloà ein Katzensprung bis zur Autobahn, zur A  9, Ausfahrt Altmühltal. Die Lage ist der Trumpf. Warum, denkst du, haben sie dieses Fabrikverkaufszentrum Ingolstadt Village hier bei uns in der Gegend
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