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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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fand mühsam die Orientierung wieder. Mit ausgebreiteten Armen lag er in seinem Bett, die Daunendecke weit von sich gestrampelt, das Laken verschwitzt und zerwühlt. Er sah auf den Wecker: zwei Uhr morgens. Sein alter, lang gehasster Alptraum hatte wieder zugeschlagen. Der Sturz-Traum, der ihn schon seit seiner Kindheit verfolgte und dessen unerträgliche Wucht auch nicht dadurch gemildert wurde, dass er irgendwo gelesen hatte, dieses gruselige Fallen in finstere Tiefen zähle zu den meistverbreiteten Alpträumen. Herzlichen Dank: Noch nicht einmal den Horror hatte er exklusiv.
    Genervt und erschöpft knipste er das Licht an und starrte eine Weile an die Decke zu dem nichtsnutzigen Traumfänger. Dann stand er auf, um ein Glas Milch zu trinken und sich auf den Balkon zu stellen. Im Wohnzimmer lag noch die Hülle der DVD , die er am Abend misslaunig und gelangweilt zur Hälfte angesehen hatte. Den Film »Herr der Ringe – Die drei Türme«. Da brauchte er sich nicht zu wundern, wenn die Schlacht bei Helms Klamm mit all ihrem Schauder in seine Träume Einzug gehalten hatte, mit Blitz, Donner und einer Heerschar von Orks. Fröstelnd stand er, nur in Boxershorts, auf dem Balkon und blickte hinauf zum Himmel. Wie bestellt sauste eine Sternschnuppe durch sein Panorama und dann gleich noch eine. Mitte August: die Zeit der Perseiden-Meteoritenschauer, Wünsch-dir-was-Zeit.
    Zwei kleine Meteore hatte er gesehen, folglich hatte er zwei Wünsche frei. Morgenstern brauchte keine Sekunde für den ersten. Der führte geradewegs nach Norden, in einen Pub namens »Crazy Horse«, in dem ein Harley-Fahrer mit Pferdeschwanz vielleicht nicht gerade von Pest und Cholera, aber doch wenigstens von chronischer Diarrhöe außer Gefecht gesetzt werden sollte. Nummer zwei hätte unter normalen Umständen dem Wohlbefinden der beiden Morgenstern-Söhne gegolten, aber dem Vater steckte sein Alptraum noch so heftig in den Knochen, dass er sich raschen Erfolg bei der Klärung des Mordes an Barbara Breitenhiller wünschte, und zwar so, dass er seine Dienstpistole (im Unterschied zur Schlacht um den Limesturm) nicht zum Einsatz bringen musste. Bei näherer Betrachtung wusste er dann aber nicht, ob Letzteres vielleicht schon ein drittes und somit im Sternschnuppenkontingent nicht mehr enthaltenes Anliegen war.
    Er nahm noch ein paar tiefe Atemzüge in der Kühle der Sommernacht, dann kehrte er in seine verschwitzte, feucht-klamme Betthöhle zurück. Als er an das sonderbare Defilee am Pfahldorfer Weiher dachte, musste er lächeln, weil ihm ein kurioses Detail wieder einfiel: Finanzoptimierer Baron von der Tann war, wenn er sich recht entsann, in Begleitung von Papst und Schweizer Gardisten um den Weiher gewandelt.

DONNERSTAG
    Am Morgen hatte Morgenstern den Alptraum weitgehend vergessen. Während er eine Tasse Kaffee trank, überflog er kurz die Zeitung. Im Lokalteil fiel ihm ein Foto ins Auge, das einen Mann in römischer Tunika zeigte, der mit einem mageren weißen, langhornigen Ochsen und einem altmodischen hölzernen Pflug ein gelbes Stoppelfeld umackerte. Der dazugehörige Artikel warb für ein Römerfest, das am kommenden Wochenende »traditionell rund um die historische Villa Rustica von Möckenlohe über die Bühne« gehen werde, mit diversen Vorführungen rund um die Landarbeit der römischen Bauern im Hinterland des Limes, der Präsentation römischer Haustiere, zu denen unter anderem Wollschweine und ungarische Steppenrinder gehörten, und nicht zuletzt einem großen Umzug rund um das Landgut, das auf den originalen Grundmauern komplett rekonstruiert worden sei. Den Abschluss der zweitägigen Feierlichkeiten bilde wie alle Jahre ein symbolischer Angriff von alemannischen Reitern, die einen Stapel Strohbüschel in Brand steckten.
    Morgenstern betrachtete noch einmal das Foto des pflügenden Römers und entschied, dass die Sache am Sonntag wohl einen Familienausflug wert sein könnte. Höchste Zeit, dass die Morgensterns wieder komplett waren. Von den Kindern hatte er – wie vereinbart – nichts gehört. Sie hatten Order, sich nur in dringenden Fällen telefonisch daheim zu melden, alles andere widersprach Morgensterns Ansicht nach den Prinzipien eines Zeltlagers, das zwei Brüder doch locker ohne peinliche Heimweh-Attacken überstehen konnten. Von Fiona hatte er seit dem vorvergangenen Abend auch

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