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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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nichts gehört – in ihrem Fall hätte er ein wenig Heimweh allerdings durchaus für angebracht gehalten. Sollte er sie in Nürnberg anrufen? Es war sieben Uhr dreißig. Vielleicht schlief sie noch? Nach einem langen, fröhlichen Abend im »Crazy Horse«?
    Wut stieg in ihm auf. Und ein giftig-grün wucherndes Gefühl, das er bisher kaum gekannt hatte. Missmutig schlüpfte er in seine ausgelatschten Stiefel, trank im Stehen seinen Kaffee aus, dann riss er die Ankündigung des Römerfestes mit einem Ratsch aus der Zeitung und nagelte sie an die Kork-Pinnwand im Flur. Heute Abend, so beschloss er, würde er mit dem Zug nach Nürnberg fahren und sich die Sache mit eigenen Augen ansehen. Mike Morgenstern, der Schachtelteufel aus dem Umzugskarton.
    Im Polizeipräsidium Ingolstadt lagen an diesem Morgen die wesentlichen Ergebnisse der Spurensicherung vor; auch die Auswertung von Barbara Breitenhillers Notebook, die eine junge Kollegin vorgenommen hatte, war vorläufig abgeschlossen. Wie Alina Baumüller berichtet hatte, quoll der Facebook-Account über von sogenannten Freunden. Undenkbar, all diese Kontakte abzuklopfen, diese Hundertschaften von »Gefällt mir!«-Günstlingen durchzurastern, jeden Einzelnen aus dieser Heerschar von potenziellen Informanten nach Hinweisen zu befragen.
    Â»Da wäre die Nadel im Heuhaufen ein wesentlich kleineres Problem«, sagte Morgenstern.
    Â»Vor allem wenn man sich Gundekar Russers Metallsuchsonde ausleihen dürfte«, erwiderte Hecht. »Wenn du die moderne Technik nutzen kannst, lösen sich solche altmodischen Probleme in Luft auf. Nadel im Heuhaufen: Da piepst es beim Raubgräber schon nach ein paar Sekunden.«
    Â»Moderne Technik nutzen«, wiederholte Morgenstern und starrte auf das Notebook der Limeskönigin. »Das ist die Idee: Wir starten über Barbies Facebook-Seite einen offiziellen polizeilichen Aufruf. Wir mobilisieren das Internet.«
    Hecht sah ihn ungläubig an. »Wir – mobilisieren – das – Internet? Ausgerechnet wir beide? Du hast doch von diesem Zeug so wenig Peilung wie ich. Außerdem haben wir längst den Zeugenaufruf übers Radio und die Zeitungen laufen lassen. Hat das nicht den gleichen Effekt?«
    Morgenstern schüttelte den Kopf. »Du kannst über Facebook alle Freunde direkt ansprechen, nach dem Motto: Jetzt müssen wir alle zusammenhelfen, um Barbie die letzte Ehre zu erweisen, und so weiter. Selbst Leute, die sich hundertmal überlegen, ob sie wegen eines Details zur Polizeiinspektion gehen, hauen im Internet locker alle Vermutungen und Überlegungen raus. Wir halten die Sache so unverbindlich, wie es geht, und wenn wir es richtig anpacken, ist es für diese Internetfritzen so, als würden sie mit Barbie noch direkt kommunizieren. Vom Hier ins Jenseits. Wenn du verstehst, was ich meine.«
    Â»Und wer von uns soll das übernehmen?«, fragte Hecht und nippte an seiner Tasse mit Kamillentee.
    Â»Na, die junge Kollegin, die für uns schon den Laptop durchforstet hat«, entschied Morgenstern. »Das ist bestimmt eine, die täglich mit Facebook umgeht. Die soll mit all den Barbie-Freunden chatten, bis der Computer qualmt. Oder was weiß ich, mit welchen Apparaten man heute seine ›Gefällt mir!‹-Nachrichten verschickt. Du wirst sehen: Die Facebook-Welt ist das genaue Gegenteil von der echten Welt, die wir am Pfahldorfer Weiher erlebt haben. Weißt du noch, wie ich mit dem Megafon alle Gaffer verscheucht habe?« Morgenstern grinste.
    Hecht blieb skeptisch. »Und wenn nichts dabei rauskommt?«
    Â»Dann hat eine junge Kollegin die Lektion gelernt, dass Chatten auf Dauer nichts bringt außer leerem Geschwätz.«
    Kriminaldirektor Adam Schneidt war zunächst wenig begeistert, als ihm seine beiden Ermittler ihren Facebook-Plan vorstellten, allerdings eher aus rechtlichen denn aus taktischen Gründen. Dann aber telefonierte er mit den Eltern von Barbara Breitenhiller und ließ sich von ihnen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen. Sie unterstützten alles, was zur Aufklärung beitragen könnte, sagten sie. Erst jetzt gab Schneidt der neunzehnjährigen Jungpolizistin Alina Baumüller den Auftrag für die Betreuung der Facebook-Seite. In Abstimmung mit Hecht und Morgenstern formulierte sie den Zeugenaufruf und erläuterte den »Usern«, was der Sinn der ganzen Aktion

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