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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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braucht.«
    Â»Regelmäßig wie ein Uhrwerk …« Morgenstern blickte die steile Forststraße hinab. »Und das hier ist wahrscheinlich auf der ganzen Strecke das einsamste Stück. Da kommt bloß alle heiligen Zeiten jemand vorbei.«
    Selbst jetzt, wo der Weg mit Fahrzeugen vollgestellt war, wirkte der Wald an der Nordflanke des Anlautertals urtümlich und unzugänglich.
    Morgenstern rief nach dem Waldbesitzer, der Heinrich Pietzka gefunden hatte. Der Mann hatte keine Eile. Er war deutlich über siebzig Jahre, gebeugt vom Alter und der harten lebenslangen Arbeit in der Landwirtschaft. Klein gewachsen, aber zäh. Mit einer dunkelgrünen Latzhose, die mit orangefarbenen Aufnähern zum Schutz gegen Schnittverletzungen verstärkt war, dazu dicke Stiefel. Über der Hose trug er eine dünne dunkelblaue Arbeitsjoppe, dazu eine Schildmütze aus dickem grauem Stoff.
    Â»Sie gehen mit Ihrer Säge ganz allein in den Wald?«, fragte Hecht.
    Â»Ist das jetzt auch schon verboten?«, fragte der Bauer zurück, schob dann aber friedlicher nach: »Meine Frau ist daheim und kocht. Ich wollte bloß schauen, was der Käfer macht. Wir haben hier droben nur ein kleines Stück Wald, und das meiste sind Buchen.«
    Â»Und die frisst der Borkenkäfer«, stellte Morgenstern souverän fest.
    Â»Sie haben wohl gar keine Ahnung?«, fragte der Bauer. »Der Käfer geht bloß auf die Fichten, aber von denen gibt’s hier nicht viele.«
    Morgenstern, als ignoranter Stadtmensch enttarnt, wurde rot. »Jetzt erklären Sie uns mal, wie Sie den Mann gefunden haben, Herr …«
    Â»Eisenschenk. Eisenschenk, Sebastian.«
    Â»Also, Herr Eisenschenk, wie war das?«
    Der Bauer schob seine Schildmütze in den Nacken. »Als ich mit meinem Bulldog hier raufgefahren bin, ist der Mann mitten auf dem Weg gelegen. Ich bin sofort stehen geblieben und abgestiegen. Ich hab dann auch gleich sein Fahrrad gesehen, das war da drüben ein Stück den Hang hinabgerutscht.«
    Â»Und der Mann war tot?«, fragte Hecht.
    Â»Da gibt es gar keinen Zweifel. Ich habe nach seinem Puls gefühlt und dann nach seinem Herzen gehört. Dann habe ich sofort einen Notruf abgesetzt. Dafür habe ich ein Stück weiter den Berg hinaufgehen müssen, weil direkt bei dem Mann war kein Empfang. Und dann habe ich hier auf die Polizei gewartet.«
    Â»Ist Ihnen irgendetwas seltsam vorgekommen?«, fragte Morgenstern.
    Der Bauer schüttelte nachdenklich den Kopf und nahm dann die Mütze ab, als wäre es unangemessen, im Angesicht des Todes das Haupt bedeckt zu haben.
    Â»Nein, das nicht. Es ist nur so unheimlich hier gewesen. Allein mit diesem armen toten Mann. Ich habe mich dann neben ihn gesetzt und …« Er schluckte schwer. »Ich habe für ihn gebetet.« Er schaute Morgenstern und Hecht bedeutungsvoll an. »Schon meine Oma hat immer gesagt: Dieser Wald ist nicht geheuer.«
    Morgenstern kniff die Lippen zusammen. »Wie meinen Sie das?«
    Der Bauer wies hinauf Richtung Hirnstetten. »Da oben läuft die Teufelsmauer. Und meine Großmutter wusste Dutzende von Sagen, die sie uns Kindern im Winter erzählt hat. Von armen Seelen, die hier auf den Hohlwegen zwischen dem Tal und der Jurahöhe umherirren und einsame Wanderer erschrecken. Riesige schwarze Hunde. Und in den Raunächten im Winter, da zieht die Wilde Jagd am Limes entlang, unheimliche Reiter mit Pferden und Hunden. Wenn hier im Wald, zwischen den Felsen, der Nebel aufzieht, dann kann es einem schon anders werden bei der Waldarbeit.«
    Er wandte sich an Peter Hecht. »Sie haben sich vorhin gewundert, dass ich ganz alleine in den Wald gehe. Ich tue es eigentlich nicht gerne. Und zwar nicht, weil man mit der Motorsäge einen Unfall haben kann. Davor fürchte ich mich nicht. Ich pass schon auf.«
    Â»Warum dann?«, fragte Hecht und rückte ganz nahe an den Bauern heran. Dessen Stimme war nun nur noch ein Raunen.
    Â»Ich habe es selbst schon erlebt: dieses Gefühl, dass da auf einmal jemand hinter dir steht und dich anschaut mit Augen wie glühende Kohlen.« Er sah Hecht ernst in die Augen, ohne nur ein einziges Mal zu blinzeln. »Wenn drunten im Tal, von den Wiesen an der Anlauter, der Nebel aufsteigt, weiß wie ein Leichentuch, dass man kaum noch die Hand vor Augen sieht. Wenn er hinaufzieht durch den Wald, dann nimm dich in Acht. Wenn du dieses Gefühl

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