Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
Vom Netzwerk:
hast, dass einer hier im Wald hinter dir steht, dann arbeite einfach weiter, als ob nichts wäre. Lass dir deine Furcht nicht anmerken. Und vor allem: Dreh dich nicht um. Niemals. Das war der Rat meiner Großmutter. Und die ist fünfundneunzig Jahre alt geworden.«
    Â»Sie können einem echt Angst machen mit Ihren Ammenmärchen«, sagte Morgenstern.
    Â»Sie müssen mir nicht glauben«, sagte der Bauer, und seine Stimme wechselte wieder zu normaler Lautstärke. Er deutete auf die silberne Folie. »Aber dieser Mann ist tot. Und heute früh hatten wir drunten im Tal dicken Nebel, eine richtige Suppe. Oben am Berg war es klar. So ist das Wetter oft bei uns. Im Herbst dauert es manchmal bis Mittag, bis die Sonne zu uns ins Tal durchdringt. Drüben im Altmühltal ist es dasselbe. Da schaut manchmal nur noch die Willibaldsburg mit ihren Türmen aus dem nebligen Tal heraus.«
    Â»Sie glauben also, dass Pietzka mit seinem Rad in den Nebel hineingefahren ist?«
    Â»Genau. In eine Wand aus Nebel. Wie eine Mauer.«
    Â»Die Teufelsmauer«, sagte Hecht.
    Â»Jetzt langt’s allmählich«, sagte Morgenstern genervt. »Wenn ich Gruselgeschichten haben will, dann schaue ich mir im Fernsehen die zehnte Wiederholung von ›The Fog: Nebel des Grauens‹ an. Da brauche ich keine Wilde Jagd und keine mysteriösen Waldwichtel. Was mich hier viel mehr interessiert, ist, an welcher Stelle der Unfall genau passiert ist. Aber es ist natürlich alles vollgeparkt, jeder stellt sein Auto grad so hin, wie es ihm passt. Wahrscheinlich steht der Krankenwagen direkt auf dem entscheidenden Blutfleck. Dabei hätten wir gar keinen Sanka gebraucht.«
    Mit gesenktem Blick wie ein Spürhund ging Morgenstern den Weg ein Stück nach oben. Der Bauer folgte ihm.
    Â»Da drüben, genau da ist das Fahrrad gelegen«, sagte er. »Dafür verbürge ich mich. War es ein Fehler, dass ich es zurück auf die Straße geholt habe?«
    Â»Schon passiert«, sagte Morgenstern gnädig und mimte weiter den Fährtenleser. Er überlegte, wie schnell Pietzka, der jeden einzelnen Meter dieser Strecke kannte, wohl an diesem Morgen gefahren war und ob er sich vom Nebel hatte bremsen lassen. Oder ob er sich auf sein Bike und seine Ortskenntnis verlassen und keine Gefahr gespürt hatte. Falls der Nebel überhaupt so dick gewesen war, wie der Bauer behauptet hatte.
    Und doch war er gestürzt, so unglücklich, dass er sich den Schädel gebrochen hatte.
    Â»Lassen Sie uns einen Moment allein«, sagte Morgenstern zu dem Bauern. »Mein Kollege und ich müssen etwas besprechen.«
    Â»Von mir aus«, sagte Eisenschenk und trollte sich. Als er außer Hörweite war, sagte Morgenstern: »Wir wissen, dass Pietzka sich beobachtet gefühlt hat. Wir haben das für Quatsch gehalten, aber diese Sache hier stinkt zum Himmel. Pietzka war vielleicht ein flotter Radler. Als Audi-Entwickler liegt ihm ein sportlicher Fahrstil wahrscheinlich im Blut. Aber Harakiri macht er nicht. Da hat jemand nachgeholfen.«
    Â»Wie darf ich mir das vorstellen?«, fragte Hecht.
    Â»Mensch, jetzt denk halt auch ein bisschen mit«, empörte sich Morgenstern.
    Â»Jemand hat ihm hier im Wald, am steilsten Stück, aufgelauert«, tippte Hecht, »und ihn dann vom Fahrrad gestoßen.«
    Â»Das wäre zu riskant. Ich würde mich jedenfalls keinem Mountainbiker in den Weg stellen. Ich halte beim Spazierengehen in Eichstätt immer respektvollen Abstand. Die fahren da am Altmühltal-Panoramaweg manchmal wie die Henker. Da kannst du bloß noch zur Seite springen.« Insgeheim musste Morgenstern gestehen, dass er schon mehrfach die Versuchung verspürt hatte, einen der wild gewordenen Radler im harten Verdrängungswettbewerb auf Deutschlands preisgekröntem Weitwanderweg beiläufig vom Pfad zu schubsen, nach Möglichkeit in eine besonders stachelige Schlehenhecke.
    Â»Ein über den Weg gespannter Draht«, sagte er jetzt laut. Er hatte schon einmal von einem tödlichen Unfall gehört, der so zustande gekommen war. Damals hatte ein Schüler einen Lehrer auf diese Weise zu Fall gebracht. Der gespannte Draht war als Streich gedacht gewesen, doch die Falle hatte sich als tödlich erwiesen. »Ein dünner, aber stabiler Draht, dicht über dem Boden, wäre bei Nebel praktisch unsichtbar«, führte er seine Idee weiter aus. »Da ist ein heftiger Sturz so

Weitere Kostenlose Bücher