Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
Vom Netzwerk:
sich diese Grenze auch im 21. Jahrhundert noch darstellte. Der auf fränkischer Seite holprige, vielfach geflickte Straßenbelag der B   13 wechselte exakt beim Straßenschild, das das Erreichen Oberbayerns samt zugehörigem Wappen kundtat, in ein wohl gepflegtes Asphaltband. Die Straßenmeistereien hüben wie drüben hatten entweder einen höchst unterschiedlichen Etat zur Verfügung – oder auf fränkischer Seite kämpfte man mit schlauen infrastrukturellen Tricks gegen ein Auspendeln der Bevölkerung ins wirtschaftsstarke Altbayern.
    In Eichstätt angekommen, musste Russer erst die beleidigt maunzende Katze füttern und streicheln, und dann dauerte es eine ziemliche Weile, bis er seinen Computer hochgefahren – das Foto auf dem Desktop zeigte passenderweise die Kohorte in voller Ausrüstung –, den Brief herausgesucht und schließlich ausgedruckt hatte. Er reichte ihn Morgenstern, dann ging er, immer noch in voller Legionärsuniform, mit misstrauischem Blick durch die ganze Wohnung. Er öffnete Schubladen, strich über Zeitschriften im Regal, musterte den Schreibtisch, an dem er eben noch gesessen war. Selbst im Schlafzimmer öffnete er die Schranktüren, um dann kopfschüttelnd wieder zurückzukehren.
    Â»Was haben Sie denn?«, fragte Morgenstern. »Suchen Sie was?«
    Â»Nein, nein«, murmelte Russer, nur um dann diverse Leitz-Ordner näher zu überprüfen.
    Â»Seltsam«, sagte er schließlich.
    Â»Was ist seltsam?«, fragte Hecht.
    Â»Ich habe das Gefühl, dass meine Wohnung durchsucht worden ist.«
    Â»Wie kommen Sie darauf?«
    Â»Manche Sachen liegen ein bisschen anders da, als ich sie zurückgelassen habe«, meinte Russer. »Ich bin da pingelig.«
    Â»Das wird Ihre Mutter gewesen sein, vielleicht hat sie Staub gewischt«, vermutete Morgenstern.
    Â»Aber die Ordner sind auch vertauscht«, beharrte Russer. »Ich habe da eine ganz klare Reihenfolge.«
    Â»Was sind das denn für Ordner?«, fragte Morgenstern und ging ans Regal. »Persönliche Dokumente«, las er und war beeindruckt von der Akribie, mit der Gundekar Russer seine Unterlagen sortiert und abgeheftet hatte, ein Ordner für jedes Jahr. Er zog den aktuellsten heraus und blätterte kurz hinein. Steuerkram, Quittungen in Klarsichthüllen. Und, säuberlich gelocht und archiviert, die Adresse von Monsignore Dr. Johann Breitenhiller in Rom.
    Â»Fehlt etwas in Ihrer Sammlung?«, fragte Morgenstern.
    Â»Ich glaube nicht«, sagte Russer und fügte dann, als wollte er sich selbst beruhigen, hinzu: »Bestimmt war’s meine Mutter. Dabei weiß sie genau, dass sie die Finger von meinen Sachen lassen soll.«
    Dann verschwand er unter der Brause, und die Kommissare hatten ausgiebig Zeit, das Schreiben zu studieren und sich gemeinsam gründlich in der Wohnung umzusehen. Morgenstern kannte sich wegen seines ersten Besuchs ein wenig aus, aber Hecht war ehrlich beeindruckt vom museumsartigen Charakter des Wohnzimmers mit seinen Vitrinen voller antiker Fundstücke, von den gerahmten Ausstellungsplakaten, den Repliken römischer Ausrüstungen und den Regalen voller Fachliteratur. Er spähte kurz in Russers Schlafzimmer. Auch hier hing über dem Bett ein indianischer Traumfänger. Die blauen Federn stammten von Eichelhähern.
    Morgenstern las den Brief zum zweiten Mal durch.
    Â»Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast …«, murmelte er.
    Â»Wie bitte?«, fragte Hecht, der neugierig Russers Handbibliothek durchstöberte und gerade in einem Buch mit dem Titel »Die Legionen des Augustus« blätterte. »Was soll ich letzten Sommer getan haben?«
    Â»Doch nicht du. Der Brief erinnert mich nur an einen Film, diesen Thriller aus Hollywood. Da hat einer ein Geheimnis, und dann wird ihm Angst eingejagt.«
    Â»Ach so. Habe ich nicht gesehen.«
    Â»Ich auch nicht. Das war was für Teenager. Aus dem Alter sind wir raus.«
    Hecht sah seinen Kollegen von oben bis unten an. »Bei dir bin ich mir da manchmal nicht ganz sicher.«
    Der Brief, darüber waren sich die beiden schnell einig, hatte für Monsignore Breitenhiller erhebliches Bedrohungspotenzial – vorausgesetzt, er hatte sich tatsächlich vor Jahren an seiner Nichte vergangen. Eine schützende Hand über einen Täter zu halten war in der katholischen Kirche angesichts der schrecklichen

Weitere Kostenlose Bücher