Teufelsmauer
weg von Heinrich Pietzka«, sagte er schlieÃlich argwöhnisch.
Aus dem Badezimmer, aus dem eine Weile das Rauschen von Wasser zu hören gewesen war, tönte jetzt das Summen eines elektrischen Rasierapparats. Signifer Russer, der römische Soldat, verwandelte sich wieder in einen gepflegten Eichstätter Finanzbeamten. Kurz darauf kam er, mit nassen Haaren, in Jeans und T-Shirt, barfuà durch die Tür.
»Das blühende Leben«, sagte Morgenstern.
»Zurück im 21. Jahrhundert.«
Morgensterns Handy klingelte. Ein Blick zeigte ihm, dass es das Präsidium war â genauer gesagt Polizeidirektor Adam Schneidt.
»Morgenstern, ich habe interessante Nachrichten für Sie«, sagte Schneidt ohne BegrüÃung.
Morgenstern sah den barfüÃigen Gundekar Russer an und scheuchte ihn mit einer wedelnden Handbewegung in Richtung Schlafzimmer. Russer verstand den Wink, trollte sich und zog die Tür hinter sich zu. Erst jetzt fiel Morgenstern ein orangefarbenes Poster auf, das an die Schlafzimmertür geklebt war: eine Karikatur der berühmten »Römischen Wölfin«, die gerade selbstlos die beiden Knaben Romulus und Remus säugte. Der Gründungsmythos des Römischen Reiches. In der Karikatur freilich spuckten die beiden Kleinkinder die Wolfsmilch voll Ekel in hohem Bogen aus. Das, so dachte Morgenstern, war wahrscheinlich der richtige Weg, mit historischem Pathos umzugehen. Und er fragte sich mit einem Mal, ob sich Gundekar Russer bei aller historischer Präzision nicht doch auch einen Sinn für Ironie bewahrt hatte. Ein feines Augenzwinkern, das er sich zum Beispiel beim humorfreien Zenturio nicht vorstellen konnte.
»Was sind das für Neuigkeiten, Herr Schneidt?«, fragte er.
Schneidt lieà sich absichtlich ein wenig Zeit, was Morgenstern die Gelegenheit verschaffte, das Handy auf laut zu stellen, damit Hecht mithören konnte.
»Nun. Ich habe meine guten Kontakte spielen lassen«, sagte Schneidt selbstgefällig, »und mit Baron von der Tann gesprochen. Wir haben uns zum Mittagessen getroffen. Im Café Moritz.«
»Warâs schön?«, fragte Morgenstern höflich.
»Ganz köstlich. Wir hatten beide Fettuccine mit Lachs, dazu ein Glas Pinot Grigio. Wunderbar.«
Morgenstern konnte sich gut vorstellen, wie die Herren in bester Lage am Ingolstädter Rathausplatz zusammengesessen und sich gegenseitig der Zugehörigkeit zum städtischen Establishment versichert hatten, beide mit dem kleinen Abzeichen des Rotary Clubs am Sakkoaufschlag.
Ingolstadt mit seinen gut hundertfünfundzwanzigtausend Einwohnern hatte eine überschaubare Society-Elite, in der jeder jeden kannte. Gut zu beobachten war das in den örtlichen Hochglanzmagazinen, die alle paar Monate kostenlos erschienen und im Stil der »Bunte« dem ach so glamourösen Leben der lokalen Zelebritäten huldigten. Der Baron legte gewiss Wert darauf, in keiner einzigen Ausgabe zu fehlen, fotografiert mit strahlendem Lächeln bei den verschiedensten gesellschaftlichen »Verpflichtungen«, und Polizeidirektor Schneidt als original Ingolstädter kam nicht umhin, ebenfalls von Zeit zu Zeit in diesen Postillen aufzutauchen.
»Ich habe mich sehr angeregt mit dem Baron unterhalten, und er hat mir schlieÃlich eröffnet, wer in diesen Römerpark in Hirnstetten investiert.«
»Er hat es Ihnen tatsächlich erzählt?«, entfuhr es Hecht. »Warum hat er es dann uns nicht gesagt?«
Schneidt schien das Gespräch zu genieÃen. »Nun, der Baron spricht in so einem Fall, ich zitiere, eben âºnicht mit dem Schmiedl, sondern mit dem Schmiedâ¹.«
»Das ist ja wohl die Höhe«, rief Morgenstern. »Was bildet sich der Typ eigentlich ein?«
»Beruhigen Sie sich, Morgenstern. Freuen Sie sich lieber, dass ich für Sie wichtige Informationen recherchiert habe.«
»Schmiedl â¦Â«, murrte Morgenstern nachtragend.
Schneidt ignorierte ihn und fuhr fort. »Bei unserem Essen hat mir der Baron bestätigt, dass sich ein geschlossener Immobilienfonds in den Römerpark eingekauft hat. Das war allerdings erst beim Dessert, einem ganz wunderbaren Tiramisu.«
Morgenstern spürte, wie sein Magen rumorte. Er hatte seit Stunden nichts gegessen; Hecht erging es vermutlich nicht anders.
»Ein Immobilienfonds aus ⦠Italien«, sagte Schneidt mit Triumph in der Stimme.
»Investoren aus
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