Teufelsmauer
der Via delle Fornaci. Morgenstern startete eine Internetsuchanfrage und fand im Nu die Homepage eines gepflegten, aber nicht protzigen Lokals mit Tonnengewölbe, dessen ganzer Stolz die Kühltheken mit frischem Fisch zu sein schienen. AuÃerdem stieà er auf den Restauranttipp einer deutschen Tageszeitung, der als Stammgäste »jede Menge Geistlichkeit bis hinauf zum Kardinal« erwähnte. Das Lokal lag nur einen Steinwurf vom Petersplatz entfernt.
»Die Quittung kann der Monsignore von jedem haben«, sagte Morgenstern. »Wir rufen da an.«
»Wir lassen anrufen«, korrigierte ihn Hecht. »Oder sprichst du etwa plötzlich Italienisch?«
»Kein Wort. Nur Fiona macht seit ein paar Monaten einen Sprachkurs bei der Eichstätter Volkshochschule.«
»Das hilft uns jetzt grade leider gar nichts.«
Eine kleine Umfrage unter den Kollegen im Polizeipräsidium ergab, dass zwar ein beträchtlicher Teil regelmäÃig in Italien Urlaub machte, dass sich aber niemand ausreichende Sprachkenntnisse für eine solche Nachfrage zutraute. »Das muss schlieÃlich Hand und Fuà haben«, war die gängige Antwort, die die beiden Kommissare erhielten. Und Morgenstern fragte sich wieder einmal, wie weit der Weg zu einer echten europäischen Einigung noch sein mochte, wenn selbst die eifrigen Deutschen als Zweitsprache bestenfalls ein holpriges Englisch zusammenstopseln konnten.
Am Ende rief Hecht kurz entschlossen in München beim Landeskriminalamt an. Da gab es nun ganz gewiss Dolmetscher und Sprachkundige jeden Kalibers, die den Kollegen aus Ingolstadt bei ihrem winzigen Problem sicherlich helfen konnten.
Konnten sie auch: Zufälligerweise, so stellte sich heraus, war eine sprachkundige LKA -Kollegin gerade in Ingolstadt als Beobachterin in einem Prozess gegen italienische Drogenkuriere, die an der Autobahnraststätte Köschinger Forst festgenommen worden waren. Das Ingolstädter Landgericht lag in unmittelbarer Nachbarschaft zum Polizeipräsidium, im Norden der Altstadt, und so dauerte es kaum zehn Minuten, bis die Kriminalbeamtin mit dem Know-how über internationale Drogenkriminalität an Morgensterns Bürotür klopfte.
»Das nenne ich mal prompte Amtshilfe«, freute er sich, als die Kollegin hereinkam, eine Frau Mitte fünfzig mit praktischem Kurzhaarschnitt.
Er erklärte ihr â wie schon zuvor Hecht am Telefon â, worum es ging.
»Ristorante La Vittoria am Vatikan«, wiederholte sie und sah sich die Fotos des Lokals im Internet an. »Na, dann wollen wir mal.« Sie tippte die Telefonnummer ein, und nach einigem Tuten meldete sich eine italienische Stimme. Morgenstern verstand nur Bahnhof, als die Kollegin vom LKA einen schier endlosen Redeschwall über den Brenner schickte.
Das Gegenüber war offenbar der Padrone selbst, denn in nicht minder weitschweifigen Wortgirlanden kam die Antwort zurück, von der die danebenstehenden Ingolstädter Kommissare ebenso wenig verstanden wie zuvor von der Frage. Die Kollegin reagierte mit einem wohlkalkulierten Lachen und einem weiteren fröhlichen Geplauder.
»Wir können bloà abwarten«, flüsterte Morgenstern, während die Kollegin nun unverkennbar mit dem Padrone schäkerte. Die beiden funkten auf einer Wellenlinie, die etwas mit südlichem Lebensgefühl zu tun haben musste. Es war für Morgenstern jedenfalls kaum vorstellbar, dass derselbe Anruf bei einem bayerischen Wirt in ein ähnlich ungezwungenes Schwätzchen münden könnte. Irgendwann legte die Kollegin unter vielfachem »Mille Grazie« schlieÃlich auf.
»Und? Was sagt der Wirt?«, drängte Hecht. »War der Monsignore persönlich da?«
»Und ob er da war! Der Padrone konnte sich zum einen an ihn erinnern und war zum anderen so lieb, für mich sogar in seinem Reservierungsbuch nachzuschlagen. Der Monsignore hatte einen Tisch für vier Personen bestellt.«
»Das steht ja auch auf der Rechnung.« Morgenstern deutete auf den Beleg. »Viermal Coperto â das weià sogar ich. Vier Gedecke. Kostet ja immer alles extra in Italien, bloà damit man Besteck und ein bisschen WeiÃbrot kriegt. Ich war da mal am Lago Maggiore â¦Â«
»Bitte, Herr Morgenstern! Jetzt wollen wir mal nicht kleinlich werden.«
»Ich meine ja bloÃ.«
»Der Monsignore war jedenfalls da, mit drei Gästen. Den ganzen Abend. Man hat sich angeregt
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