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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Mitte eines Kreuzes seinen Platz fand. An jeder Seite standen ungefähr zehn Häuser. Rund achtzig Feuerstellen mochte das Dorf haben, schätzte Pater Fürchtegott. Die Wohnhäuser drängten sich an die Gassen, dahinter zogen sich in einem geschlossenen Viereck die Scheunen, Schober, Ställe und Wirtschaftsgebäude. Gegenüber der Kirche, nur ein paar Schritte von ihr entfernt und noch immer in der Mitte des Dorfes, befand sich ein kleines Backhaus, aus dessen Schornstein Rauch wirbelte. Eben kämpften sich der Pater und Karla über ein winziges Brückchen, unter dem ein Bach gurgelte. Die Dämmerung war hereingebrochen und hüllte alles in ein lichtloses Grau. Aus den Häusern drangen schmale Streifen gelblichen Lichtes. Eine schwarze Katze floh direkt vor ihnen über die Gasse. Von links nach rechts. Karla erschrak und bekreuzigte sich. Ansonsten war weit und breit kein Lebewesen zu sehen. Kein Wunder, bei einem solchen Sturm. Einmal bellte ein Hund, ein anderes Mal glaubte Karla den Geruch von Schweinen in der Nase zu haben. Beinahe wäre sie in einen großen, dampfenden Misthaufen gestolpert, der dicht an der Gasse lag. Sie hatten das Kirchlein hinter sich gelassen und strebten die Gasse nach Norden hinauf. Hier duckten sich die Häuser linker Hand eng an einen Bergrücken, die Scheunen und Nebengebäude zogen sich den Hang hinauf, und über allem ragte ein dichtbewaldeter Bergrücken, während auf der rechten Seite der Gasse der Blick in ein kleines Tal fiel, auf dessen Grund das Rauschen des Baches zu hören war.
    Völlig entkräftet langten sie beim Pfarrhaus an, dem letzten Haus des Dorfes. Pater Fürchtegott hämmerte mit der Faust wild gegen das Türblatt. Doch drinnen blieb alles still. Nur aus dem oberen Stock drängten sich Lichtfetzen durch die geschlossenen Holzläden. Er hämmerte weiter, trat sogar mit dem Fuß dagegen, trotzdem dauerte es endlose Minuten, bis auf der anderen Seite der Tür endlich schlurfende Schritte zu hören waren und eine Stimme, die schimpfte: «Herr im Himmel, ich komme doch schon!»
    Dann wurde die Tür aufgerissen, und Karla und Pater Fürchtegott sahen sich einer dicken Frau gegenüber, mit einer Nase, so groß und rot wie ein Apfel. Auch die Wangen zeigten eine tiefrote Farbe, und über der Oberlippe trug sie einen aparten Leberfleck. Ihr Gesicht war faltenlos, sodass Karla sie auf Anfang zwanzig schätzte, doch ihr Gebaren wirkte wie das einer enttäuschten Frau mittleren Alters. Aus dem Inneren des Hauses wehte der Geruch von frischem, heißen Würzwein zu den Durchfrorenen heraus.
    «Was wollt Ihr?», brüllte die mollige Frau gegen den Sturm an. «Wir haben nichts. Wir geben nichts. Nichts zu essen und nichts zu trinken.»
    Der Pater schob sich vor Karla. «Wir bitten um Unterschlupf, bis der Sturm sich gelegt hat. Nur eine Nacht, ein paar Stunden.»
    Die Rotnasige machte einen schmalen Mund. «Hier gibt es nichts zu holen. Wir haben selber nicht viel.»
    «Wir wollen nichts als ein Dach über dem Kopf. Wisst Ihr nicht, dass es ein Gebot der Nächstenliebe ist, denen zu helfen, die in Not sind?»
    Brummelnd trat die Frau zur Seite. Als Karla an ihr vorbeiging, roch sie Schweiß und Branntwein.
    Als sie endlich in der dampfenden Küche standen, hielt Pater Fürchtegott seine eiskalten Hände über das Herdfeuer, welches nur noch glimmte, und legte sogleich zwei dicke Scheite Buchenholz nach. Die rotnasige Frau grantelte: «Geht Ihr immer so mit anderer Leute Eigentum um? Das Holz ist schlecht getrocknet diesen Sommer. Und wer muss es hacken und in die Küche schleppen? Ihr nicht, so viel steht fest. Aber greift ruhig zu; es kostet Euch ja nichts.»
    «Wollt Ihr Eure Gäste erfrieren lassen?» Pater Fürchtegott sprach zu der Frau, ohne sich ihr zuzuwenden. Mit dem Schürhaken stocherte er in der Herdglut herum.
    Karla schlotterte noch immer am ganzen Körper, ihre Zähne schlugen laut hörbar aufeinander. Sie wagte es noch nicht, ihren Umhang abzulegen, und sah sich in der Küche um. Der Boden war mit Holzdielen belegt, die vor Schmutz starrten. Auf einem wackligen Bord hingen Becher und Krüge aus Steingut, ein jeder mit einer Staubschicht bedeckt. Auch der Küchentisch starrte vor Flecken, und die Felle auf der Küchenbank verströmten einen muffigen Geruch. Neben der Feuerstelle stapelte sich schmutziges Geschirr, die beiden Wassereimer daneben waren leer. Die Rotnasige hatte Karlas Blicke bemerkt und herrschte sie an: «Was glotzt du so? Weißt du nicht, wie viel

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