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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Pater Fürchtegotts Geheiß einen Zuber mit heißem Wasser füllte, flößte Karla dem Pfarrer weiter von dem Sud ein. Dann hievten der Pater und sie ihn in das heiße Wasser. Vom Dampf waren die Fenster beschlagen. Auch die Kupferkessel hatten eine Dunstschicht.
    Else trat von einem Bein auf das andere. Offensichtlich war auch ihr nun klargeworden, dass ihr Herr ernsthaft verletzt war. Mit zitternden Händen reichte sie Karla das schwarze Brot und ein Brettchen mit Zwiebelstückchen.
    «Wird er sterben?», fragte sie. «Und was wird dann aus mir?»
    Pater Fürchtegott schüttelte über die Eigensucht der Haushälterin den Kopf. Es dauerte noch eine ganze lange Weile, ehe er sagte: «Er wird durchkommen, glaube ich.»
    «Gelobt sei Jesus Christus», erwiderte Else und bekreuzigte sich.
    Karla griff nach dem Brot, schob es in den Mund und zerkaute es gründlich, bis es ein feuchter Brei war. Dann nahm sie den weichen Klumpen aus dem Mund, presste die Zwiebelstückchen hinein, knetete die Masse durch. «Gebt mir einen sauberen Lappen!» Sie strich mit dem Finger das Brot-Zwiebelgemisch auf das Leinenstück und legte es dem fremden Pfarrer fürsorglich auf die Stirn.
    «Was machst du da, Kind?», fragte Fürchtegott.
    «Die Zwiebel soll helfen, dass die Wunde sich schließt. Allein wäre sie zu scharf. Deshalb das Brot. Wisst Ihr nicht, dass man so Verletzungen lindern kann, wenn keine Kamille und auch kein Hirtentäschel zur Hand sind? Am besten wirkt allerdings Sauerampfer. Oder Honig, mit Meerrettich gemischt. Diese Mischung brennt allerdings wie das Höllenfeuer.»
    Sprachlos musterte Pater Fürchtegott das schmale Mädchen, das gerade einmal halb so alt wie er war.

[zur Inhaltsübersicht]
    Fünftes Kapitel
    Karla wachte die ganze Nacht an der Seite des verletzten Pfarrers Dippel. Sie saß auf einem Schemel neben seinem Bett mit dem hohen Giebel aus dunklem Holz. Im Gegensatz zum sonstigen Haus war die Kammer des Hausherrn nahezu penibel aufgeräumt. Die Soutane hing ordentlich auf einem Bügel, die Truhe war mit einer sauberen und sorgsam gearbeiteten Decke belegt, auf dem Nachttisch standen ein sauberer Krug mit frischem Wasser, daneben ein Kerzenhalter mit einem Bienenwachslicht und eine Bibel. Der Boden war mit einem bunten Flickenteppich aus Woll- und Stoffresten belegt. Auf der Kommode war ein Waschgeschirr aufgebaut, und neben der Tür standen zwei Paar Schuhe, gut gewichst und glänzend. Die Bettwäsche war sauber und verströmte einen zarten Duft nach Rosenseife, das Kissen war so prall mit guten Daunen gefüllt, dass des Pfarrers Kopf darin wie in Wolken lag.
    Hin und wieder tupfte Karla ihm mit einem in Essigwasser getauchten Tuch den Fieberschweiß von der Stirn und wechselte den heißen Stein am Fußende seines Bettes, sooft es nötig war. Neben ihr verbrannten in einer schwarzen Pfanne auf einem Eisenständer ein paar Holzkohlestücke, die es jedoch nicht vermochten, den Raum zu erwärmen. Der Sturm heulte im Kamin, und schwere Regentropfen klopften an die hölzernen Fensterläden.
    Else, die dicke Haushälterin, hockte in einem hohen Lehnstuhl und hatte die Füße auf ein Bänkchen gestellt. Der Kopf war ihr auf die Brust gesunken, und der Raum war von ihrem lauten Schnarchen erfüllt. Ab und an schreckte sie hoch, sah Karla anklagend an. «Ist es noch nicht besser mit ihm?», fragte sie.
    «Nein. Er braucht Zeit, um zu gesunden. Froh könnt Ihr sein, wenn er überhaupt wieder wird.»
    «Dann tu alles, was du kannst.»
    Karla nickte nur müde. «Könnt Ihr die Wache nicht übernehmen? Mir fallen die Augen zu.»
    Else richtete sich kerzengerade in ihrem Lehnstuhl auf und deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf ihre Brust. «Ich? Ich bin keine Heilkundige. Unter den Händen würde er mir wegsterben. Nein, nein. Wache du.»
    Dann rückte sie sich im Lehnstuhl zurecht, schloss die Augen und begann gleich darauf wieder, so laut zu schnarchen, dass die Kerze, die auf einem Tischlein neben ihrem Lehnstuhl stand, zu flackern begann.
    Als der Morgen dämmerte, ließ der Sturm draußen allmählich nach. Karla, betäubt von der Müdigkeit, erhob sich und öffnete vorsichtig einen der Holzläden. Gierig sog sie die frische Luft ein. Am Horizont waren über den Baumwipfeln die ersten grauen Lichtschimmer zu erkennen, doch das Dorf sah verheerend aus. Über der Straße lag ein umgestürzter Baum, der seine Äste bis in die Fenster einer Kate gedrückt hatte. Ein Stück weiter unten hatte der Sturm das

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