Teufelsmond
ihn versteckt, damit die anderen Weiber ihn nicht ansehen können?»
Else spürte, wie ihr die Röte in die Wangen schoss. Bernadette zeigte mit dem Finger auf ihr Gesicht und kreischte vor Lachen. «Wusst’ ich’s doch, ein Mann steckt dahinter. Sag, wer ist es? Der Beckmann? Willst du ihm die Elisabeth ersetzen? Oder ist’s der alte Höffner, den du beerben willst?»
Else presste das Tuch fest gegen ihre Brust. «Unsinn», zischte sie. «Der Pater hat mich gebeten, ein paar Sachen zur Alrun zu bringen. Nichts sonst.»
«Zur Alrun? Ist etwas mit ihr?»
«Was soll schon sein mit ihr? Sie ist alt. Wir haben Winter. Das Kreuz kann sie kaum biegen. Und ihre Füße sind geschwollen. Christliche Nächstenliebe ist es, wenn man ihr ein wenig unter die Arme greift.»
«Nur dass man das von dir nicht gewohnt ist, meine Liebe. Winter hatten wir im letzten Jahr auch. Da war die Alrun gestürzt und konnte sich kaum bewegen. Habe ich dich da auch mit einem Paket zu ihr gehen sehen?» Sie krauste die Stirn und legte den Finger an die Nase, als dächte sie angestrengt nach. Dann schüttelte sie den Kopf. «Nein, habe ich nicht. Wieso also jetzt?»
Else deutete mit dem Kinn auf das Pfarrhaus. «Pater Fürchtegott hat’s befohlen. Er ist anders als der Dippel. Ich muss ihm gehorchen.»
«Aha.» Mit dieser Erklärung war die dürre Bernadette einverstanden. Sie beugte sich zur Else und fragte: «Was spricht man im Pfarrhaus über die Michelsmüller?»
Else hob die Schultern. «Was soll man da sprechen?»
«Weißt du nichts?»
«Was soll ich wissen?»
«In der Nacht, da waren ein paar Männer des Dorfes drüben auf dem Mühlenfriedhof. Der meine war auch dabei. Sie haben das Grab des alten Müllers geöffnet. Und stell dir vor: Er war ein Nachzehrer! Der meine kam blass wie ein Leichentuch nach Hause. Erst nach zwei Bechern Branntwein konnte er erzählen, was vorgefallen war.»
«Nein!», rief die Else aus. «Erzähl! Und lass kein Wort aus!»
Karla hatte Elses Ausruf gehört. Zwischen der Pfarrhaushälterin und ihr befand sich nur eine mannshohe Mauer. Karla ließ die Wäsche sein und begab sich zur Mauer. Sie hörte Bernadettes Bericht, der zwar so gehalten war, dass die Tatsachen grob stimmten, aber bei dem, was die Bernadette draus strickte, wurde es Karla erneut Angst und Bange. «Die Zähne hat er im Sarg gebleckt, und Blut ist ihm aus dem Maul gelaufen.»
«Nein!», rief die Else wieder aus, doch dieses Mal hörte Karla ein Zittern in ihrer Stimme.
«Und nun? Was geschieht jetzt? Man kann sich ja seines Lebens nicht mehr sicher sein.»
«Die Männer werden sich kümmern», tuschelte Bernadette. «Sie waren heute Morgen schon vor Tau und Tag drüben beim Glenbauern. Es wird etwas geschehen.»
«Was, um des Herrgotts willen?»
Die Bernadette kicherte leise. «Gegen das Böse hilft nur eines: Feuer!»
Karla erschrak. Feuer? Wollten die Alweröder die Mühle in Brand stecken?
«Feuer?», fragte auch die Else.
«Ja. Feuer. Die Müller müssen weg. Wenn man ihnen die Mühle nimmt, haben sie nichts mehr. Von uns kriegen sie auch nichts, nicht einmal den kleinsten Kanten Brot. Wir müssen uns nicht mehr darum sorgen, was aus unseren Kindern wird, schrecken nachts nicht mehr auf beim kleinsten Geräusch. Ruhe wird in Alwerode einkehren. Ruhe und Frieden.»
Karla hatte genug gehört. Sie tappte leise über den Hof und suchte im Pfarrhaus nach dem Pater. Sie fand ihn am Bett des kranken Dippel.
«Nachzehrer», hörte sie ihn sagen. «Sagt, Dippel, habt Ihr davon schon gehört?» Der kranke Pfarrer schüttelte den Kopf. «Nichts habe ich gehört. Gar nichts. Und ich weiß auch nichts. Überhaupt nichts. Ich bin ein Mann Gottes und immer bestrebt, mich an die Gebote zu halten. Erzählt mir nichts, Fürchtegott, ich will nichts wissen. Meine Ruhe will ich, das ist alles.»
«Wollt Ihr Euch auf ewig zwischen den Kissen verstecken?» Pater Fürchtegotts Stimme klang verärgert.
«Nein, nicht auf ewig. Ich bin krank, bin schwach, meine Beine tragen mich kaum. Jede Aufregung schwächt mich noch weiter. Ich bleibe liegen, bis meine Kräfte zurückgekommen sind. So etwas kann dauern, Ihr wisst es selbst. Und nun geht, lasst mich schlafen. Ich bin so müde, dass mir gleich die Augen zuklappen.»
Pater Fürchtegott seufzte und stand auf. Vor der Tür der Schlafkammer traf er auf Karla. «Was ist los? Ist etwas geschehen? Du bist ja noch bleicher als sonst.»
«Die Männer, der Glenbauer, der Hettrich und die
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