Teufelsmond
anderen, sie wollen die Mühle niederbrennen. Sie wollen auch die Michelsmüller niederbrennen. Mordbuben sind sie! Ihr müsst etwas dagegen unternehmen, Pater. Jetzt gleich.»
Und dann sprudelte aus Karla alles heraus, was sie bei dem Gespräch von Bernadette mit Else erlauscht hatte.
Pater Fürchtegott zog ein sorgenvolles Gesicht und kraulte sich den Bart.
«Ihr müsst die Müller warnen», drängte Karla.
«Nein!»
«Wie? Nein? Wollt Ihr sie ihrem Schicksal überlassen?» Karla begann zu zittern.
«Natürlich nicht. Aber wenn ich die Männer heute von der Brandschatzung abhalten kann, dann werden sie morgen zur Mühle ziehen. Ich muss mir etwas ausdenken, das sie für immer davon abhält, mit Öl und Fackeln ins Michelstal zu gehen. Lass mich nachdenken, Karla. Und halte du derweil Augen und Ohren offen. Wenn sie sich sammeln, die Männer, dann rufe mich.»
Else zitterte noch immer ob der Neuigkeiten, die sie von der dürren Bernadette gehört hatte. Sie hastete hinunter zum Bach und eilte den schmalen Uferweg hinter dem Dorf entlang. Hin und wieder blieb sie stehen und sah sich um. Kein Mensch war hier unten zu sehen. Die Mägde hatten längst das Wasser für den Tag geholt, die Männer und Frauen waren bei der Arbeit. Hier unten am Bach war nichts und niemand. Else sah sich immer wieder um und schlich bis zum Hintereingang des Beckmannhauses, doch sie zögerte, das kleine Pförtchen zu öffnen und den Hof zu betreten. Sie musste an Elisabeth Beckmann denken. Die Lissi, wie sie im Dorf genannt worden war. Else und Lissi waren zusammen aufgewachsen. Und schon als Kind hatte jeder die kleine Elisabeth für ihr wundervolles Haar und die großen blauen Augen, die wie Sterne in ihrem schmalen Gesicht funkelten, bewundert. Der Glenbauer hatte keinen Maitanz ausgelassen, ohne die Lissi zu holen. Heiraten wollte er sie, das war so gut wie abgemacht. Ein jeder im Dorf hatte Lissi zu dieser guten Partie gratuliert, denn Lissis Eltern waren arm, hatten gerade zwei Ziegen und ein Stück Wiese am Waldrand. Der Glenbauer dagegen war reich. Die Äcker, die sich vom Aulatal bis zum Ziegenberg zogen, gehörten ihm. Der Wald, in dem die Köhler Holzkohle brannten, gehörte ihm. Der Teich am Rande des Dorfes gehörte ihm. In seinem Stall standen mehr als ein Dutzend Kühe, vier Knechte und zwei Mägde schufteten auf seinem Hof.
Lissi aber hatte den Glenbauern nicht gewollt. Sie hatte sich nie nach Putz und Zierrat gesehnt, nie nach einem Leben auf seidenen Kissen. Sie liebte den Beckmann, den Nachbarsjungen, der ebenso arm war wie sie. Sie konnte zupacken und wollte sich mit dem Beckmann einen eigenen kleinen Hof aufbauen. Else hatte damals nur den Kopf geschüttelt über die Lissi. Wie konnte man seidene Kissen ausschlagen? Sie hätte den Glenbauern mit Kusshand genommen, aber der wollte ja nur die Lissi.
Und dann, als der Glenbauer einmal nach Ziegenhain gefahren war, zum Landgrafen, da hatte die Lissi den Beckmann bei der Hand genommen und war ins Pfarrhaus gegangen. «Verheiratet mich», hatte sie den Dippel aufgefordert. «Jetzt sofort.»
Der Dippel hatte sich gesträubt, hatte vom Aufgebot gesprochen und von einer Verlobung, die nicht stattgefunden hatte. Aber die Lissi hatte einen schmalen Ring vorgezeigt und ausgerichtet, dass der Beckmann und sie das Aufgebot in Oberaula bestellt hatten. Der dortige Pfarrer jedoch war gestorben, und nun musste der Dippel einspringen. Er traute die beiden, und als der Glenbauer aus Ziegenhain zurückkam, da wohnte die Lissi bereits mit dem Beckmann im kleinsten Häuschen des Dorfes. Ihr Lachen drang bis zum Glenhaus, und der Glenbauer saß drei Tage lang in seinem Hof und schwang die Faust zum Beckmannhaus. Dann aber, so schien es allen, hatte er sich abgefunden und die Lissi vergessen. Er heiratete die Tochter des zweitreichsten Bauern, und den Alwerödern war, als gehörte sich das genau so und nicht anders. «Was hat der Glen mit der Lissi überhaupt gewollt?», fragten bald alle. «Gut, sie ist schön, aber Schönheit vergeht. Und auf einem dicken Kissen schläft es sich allemal besser als auf einem schönen.»
Eines Tages aber kam die Lissi erst lange nach Einbruch der Dunkelheit vom Pilzesuchen zurück. Ihr Kleid war zerrissen, die linke Wange geschwollen. An ihren beiden Handgelenken waren blaue Flecken, und ihre Lippen waren blutig. Sosehr der Beckmann auch in sie drang, sie erzählte nicht, was geschehen war. Ab diesem Tag war ihr Mund verschlossen. Und ein paar
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