Teufelsmond
habe ich zu tun. Danke dir, Karla, dass du uns gewarnt hast. Die Stiefel.» Er deutete auf Karlas Füße, die in dem weichen Leder steckten. «Jetzt hast du sie dir wirklich verdient. Du bist uns nichts schuldig und kannst in den Nächten ruhig schlafen.»
Die Worte drangen wie Dolche in Karlas Herz, doch dann verzog der schwarze Jo leicht den Mund, bückte sich zu ihr herunter und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ganz sanft. Ganz leicht. Und da verstand sie, dass er ihr seinen Schutz geboten hatte, dass er ihr die Angst nehmen wollte. Auf seine Art, die Freundlichkeit so wenig kannte.
Sie griff seine Hand, presste sie an ihre Wange. «Pass auf dich auf!», flüsterte sie. «Auf dich und auf die anderen hier.»
Der Michelsmüller nickte, machte sich los und verließ die Scheune. Und Karla folgte ihm und verließ die Mühle mit einem Gefühl, als schwebten ihre Stiefel über den Boden.
«Hach! Huch!», schrie Else und ließ vor Schreck die beiden Wassereimer fallen.
«Pscht! Ich tue dir nichts, Weib. Halt deinen Mund. Nur eine Auskunft will ich.»
Der Mann, der vor Else stand, war groß und schwer. Sein runder Kopf saß auf einem gedrungenen Hals, die Nase stach aus dem Gesicht hervor und die feuchten Lippen glänzten. Er hatte die ohnehin schmalen Augen zusammengekniffen und fixierte Else mit kaltem Blick.
«Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?», stammelte Else, noch immer vor Schreck ganz außer sich.
«Wer ich bin, muss dich einen Dreck kümmern. Seit wann fragt ein Weib einen Mann solche Dinge?»
Else schluckte und wurde rot. Sie nestelte an ihrem Brusttuch herum und sprach plötzlich mit einer Stimme, die sie zuletzt als kleines Mädchen an sich gehört hatte. «Zu Diensten, Herr. Was wollt Ihr wissen?»
Dabei beäugte sie den stattlichen Fremden von oben bis unten und dachte, dass dies endlich mal ein Mannsbild sei, vor dem ein Weib wie sie Respekt haben könnte. Nicht so ein Weichling wie die beiden Pater, kein Karnickelgesicht wie der Vetter, kein dummer Grobian wie der Glenbauer. Ein Mann, wie er im Buche stand. Ein Mann, der Achtung gebot wie der Michelsmüller.
Else schlug sich die Hand vor den Mund. Sie hatte sich geschworen, nie mehr an den schwarzen Jo zu denken, und schon wieder hatte sie diesen Schwur gebrochen.
«Ich suche nach einer entlaufenen Dirne», erklärte der Fremde. «Nach einer, die sich davongestohlen hat von dem Platz, an den sie gehört. Ein vorwitziges, dummes Frauenzimmer, dem es an einer gehörigen Tracht Prügel mangelt.»
«Ja, Herr. Ich verstehe, Herr», stammelte Else und genoss die Schauer, die ihr bei der rauen Säuferstimme des Fremden über den Rücken rieselten.
«Hast du ein solches Weib gesehen?»
«Ein Weib, Herr, das frech ist und keinen Respekt kennt?»
«Richtig.»
«Oh, hier im Dorf wimmelt es von solchen Weibern. Da ist die Trudl, die Magd vom Glenbauern mit ihren krausen Haaren. Und die Lori von Hettrichs. Klein und schmal zwar, aber mit Haaren auf den Zähnen. Und die Rieke. Die ist zwar stumm, aber sie hat es trotzdem faustdick hinter den Ohren.»
Eine Faust packte die Else an der Schulter und schüttelte sie leicht. «Ich frage nicht nach irgendwelchen Weibern. Eine bestimmte suche ich. Eine, die hier nicht hergehört.»
Else sah entzückt auf die Faust, die sie gepackt hielt, als wäre sie ein Karnickel. «Es gibt keine Fremden hier im Dorf. Leider, leider Gottes. Nur eine ist da, aber die könnt Ihr nicht meinen, Herr. Sie ist klein und schmal und hat braune Locken. Aber man vergisst, wie klein sie ist, weil ihr Mundwerk größer ist als unsere Kirche. Vorwitzig ist sie und hält sich für schlau, aber glaubt mir, sie ist am Ende doch nur ein Gör.»
«Rede nicht wie ein Wasserfall. Nenn mir den Namen.»
Else erschauerte wieder wohlig. «Karla heißt sie.»
Der Fremde stieß Else von sich. «Na, also!» Über sein rotes Gesicht ging ein schiefes Grinsen. «Jetzt sag mir nur noch, wo sie wohnt.»
«Was ist das Böse?» Karla weichte mit blassem Gesicht und tiefen Schatten unter den Augen Wäsche in einem Zuber ein. Dann raspelte sie mit einem scharfen Messer Seifenstücke in die Lauge. Pater Fürchtegott stand mit zerfurchtem Gesicht neben ihr und hatte die Stirn in Falten gelegt. Der Himmel war an einigen Stellen aufgerissen und ließ eine blasse, nicht wärmende Sonne auf die Erde fallen. Von der Straße, die gleich neben dem Pfarrhaushof lag, war das Gackern der Hühner zu hören. Ein Geruch von Holzfeuer lag in der
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