Teufelsstern
Es war genauso, wie es sein sollte. Alles war in Ordnung. Er war aus der Albtraumwelt zurückgekehrt.
Matt lag im Bett, döste vor sich hin und lauschte dem Verkehr des frühen Morgens. Zuerst kam der Milchwagen, eine Weile später waren Lieferwagen zu hören, und dann setzte der Berufsverkehr ein. Um sieben Uhr klingelte im Zimmer unter ihm Richards Wecker. Richard Cole war der Reporter, der die Wohnung gemietet hatte. Matt hörte, wie er aufstand und barfuß ins Badezimmer tappte. Dann das Rauschen der Dusche. Es sagte Matt, dass es auch für ihn an der Zeit war aufzustehen. Er warf die Decke zurück und stieg aus dem Bett.
Sein Blick fiel auf den großen Spiegel in der Ecke, und er musterte einen Moment lang, was er da sah: einen vierzehnjährigen Jungen in grauem T-Shirt und Boxershorts. Schwarze Haare. Bisher hatte er sie immer sehr kurz getragen, doch in letzter Zeit hatte er sie wachsen lassen. Blaue Augen. Matt war gut in Form, mit breiten Schultern und deutlich sichtbaren Muskeln. Er wuchs schnell. Richard war so klug gewesen, ihm seine Schuluniform eine Nummer zu groß zu kaufen – aber als Matt die Hose anzog, stellte er fest, dass sie ihm schon bald zu kurz sein würde.
Eine halbe Stunde später kam er mit seinen Schulsachen in die Küche. Richard räumte gerade das Geschirr zusammen, das sie am Abend zuvor stehen gelassen hatten. Er sah aus, als hätte er kein Auge zugetan. Seine Sachen waren zerknittert, und er war unrasiert. Sein blondes Haar klebte nass an seinem Kopf, und seine Augen waren halb geschlossen.
»Was willst du zum Frühstück?«, fragte er.
»Was haben wir denn?«
Richard unterdrückte ein Gähnen. »Also, Brot und Eier haben wir leider nicht.« Er öffnete einen Schrank. »Hier sind ein paar Cornflakes, aber das reicht wohl nicht.«
»Ist Milch da?«
Richard nahm die Milchpackung aus dem Kühlschrank, schnupperte daran und kippte den Inhalt ins Spülbecken. »Die ist sauer«, erklärte er. Dann hob er verlegen die Hände. »Ich weiß, ich weiß. Ich habe gesagt, ich würde einkaufen gehen und hab’s mal wieder vergessen.«
»Das macht doch nichts.«
»Natürlich macht es was.« In einem plötzlichen Wutanfall knallte Richard die Kühlschranktür zu. Er war sauer auf sich selbst. »Schließlich habe ich versprochen, mich um dich zu kümmern…«
Matt setzte sich an den Küchentisch. »Das ist nicht deine Schuld«, sagte er, »sondern meine.«
»Matt – «, begann Richard.
»Nein. Wir können es ruhig zugeben. Es funktioniert nicht.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Richard.
»Doch! Du willst mich eigentlich gar nicht hier behalten. Die Wahrheit ist, dass du York am liebsten verlassen würdest. Das ist okay, Richard. Wenn ich du wäre, würde es mir auch nicht passen, jemanden wie mich an der Backe zu haben.«
Richard sah auf seine Uhr. »Wir können das jetzt nicht ausdiskutieren«, sagte er, »sonst kommst du zu spät zur Schule.«
»Ich will nicht in die Schule«, erwiderte Matt. »Ich habe darüber nachgedacht.« Er holte tief Luft. »Ich will zurück ins FEDProgramm. «
Richard starrte, ihn entgeistert an. »Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«
FED stand für Freiheit, Erziehung, Disziplin. Es war ein von der Regierung gefördertes Programm für jugendliche Straftäter, und Matt hatte daran teilgenommen, als er Richard kennen gelernt hatte.
»Ich denke, das macht alles einfacher«, sagte er.
»Als du das letzte Mal am FED-Programm teilgenommen hast, haben sie dich in ein Dorf voller Hexen gesteckt. Deine Pflegemutter, Mrs Deverill, hielt dich wie einen Sklaven. Zu wem, glaubst du, werden sie dich das nächste Mal schicken? Zu Vampiren oder einer Kannibalenfamilie.«
»Vielleicht komme ich zu einer ganz normalen Familie, die sich um mich kümmert.«
» Ich kann mich doch um dich kümmern.«
»Du kannst dich nicht einmal um dich selbst kümmern!« Das hatte Matt nicht sagen wollen, aber es war ihm einfach herausgerutscht. »Du arbeitest jetzt in Leeds«, fuhr er hastig fort. »Du sitzt jeden Tag stundenlang im Auto. Deswegen ist auch nie was Essbares im Haus. Und du bist abends immer total erschöpft. Du bleibst doch nur wegen mir hier. Und das ist nicht fair.«
Was Matt sagte, stimmte. Richard hatte seinen Job bei der Greater Malling Gazette verloren, doch nach ein paar Wochen hatte er eine neue Anstellung beim Gipton Echo gefunden, dessen Redaktion am Stadtrand von Leeds lag. Eine große Verbesserung war das nicht. Er schrieb weiterhin für den
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