Teufelsstern
Gläsern aus dem Haus. Sie hatte den Grill angezündet. Die Flammen schlugen hoch und erfüllten den Garten mit Rauch und dem Geruch von Holzkohle.
Richard, Matt und Pedro saßen auf Flechtstühlen um den Tisch herum und warteten auf sie. Pedros Krücken lagen auf dem Rasen. Er würde sie noch ein paar Wochen brauchen, aber sein Knöchel heilte problemlos. Viel bemerkenswerter aber war Matts Genesung. Er war nur wenige Stunden nach Pedros Rückkehr aufgewacht. Einen Tag später hatte er wieder gegessen und getrunken. Und jetzt saß er im Garten, als wäre ihm nie etwas zugestoßen.
Richard konnte es nicht glauben, obwohl die Professorin versucht hatte, es ihm zu erklären. »Handauflegen«, hatte sie gesagt.
»Was?«
»Es ist eine Art Wunderheilung. Heutzutage glauben die Menschen nicht mehr daran, aber in früheren Kulturen war es weit verbreitet. Bei den Inka zum Beispiel. Es handelt sich um die Heilung von Krankheiten durch eine innere Kraft.«
»Und Pedro…?«
»Nun, die letzten Inka hielten ihn für ihresgleichen – also ist es wohl nicht verwunderlich, dass er diese Fähigkeit besitzt.« Sie schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle, wie es passiert ist!«, verkündete sie. »Er hat Matt das Leben gerettet. Mehr brauchen wir nicht zu wissen.«
Richard beobachtete, wie die Professorin das Tablett abstellte und zum Grill ging. Die Holzkohle glühte. Sie legte vier Steaks auf den Rost und kehrte zum Tisch zurück.
Niemand sprach, während das Fleisch briet. In den Tagen nach Matts Genesung hatten sie sich an sein langes Schweigen gewöhnt. Er hatte ihnen immer noch nicht erzählt, was in der Wüste passiert war, und sie bedrängten ihn nicht. Er würde es ihnen sagen, wenn er dazu bereit war. Trotzdem machte sich Richard Sorgen um ihn. Matt war nicht mehr so, wie er ihn kannte. Das Leid hatte ihn verändert, und Traurigkeit sprach aus seinen Augen.
Matt las in einer Zeitung. Sie war mehrere Tage alt, aber Susan Ashwood hatte sie ihm aus England geschickt und einen Artikel auf Seite fünf rot angestrichen.
Kirche streitet über Geisterjungen
War es ein Wunder, wie manche behaupten, oder gibt es eine rationale Erklärung für den Geisterjungen von San Galgano, wie man ihn in der alten toskanischen Stadt Lucca mittlerweile nennt?
Dies sind die Fakten: San Galgano ist ein altes Kloster am Rand von Lucca, das schon seit dem zwölften Jahrhundert besteht. Hier leben fromme Zisterziensermönche, die nicht daran gewöhnt sind, im Rampenlicht des öffentlichen Interesses zu stehen. Doch vor wenigen Tagen traf einer dieser Mönche im Kreuzgang auf einen Jungen, der ihn auf Englisch ansprach. Der Junge pflückte eine Blume, ging durch eine Tür und verschwand. Die Geschichte klingt für Außenstehende durchaus gewöhnlich, für die Mönche ist sie jedoch äußerst rätselhaft. Zum einen ist das Kloster nicht für Besucher geöffnet, und zum anderen ist es unmöglich, es ungesehen zu betreten. Noch faszinierender ist jedoch die Tür, durch die der Geisterjunge ins Kloster kam. Diese Tür ist nicht nur verschlossen – sie wurde vor hundert Jahren vom Abt persönlich zugemauert.
Für Gläubige hat dieses Ereignis jedoch eine noch viel weit reichendere Bedeutung. Der örtlichen Legende zufolge bedeutet das Auftauchen des Jungen nichts Geringeres als den Beginn des Jüngsten Gerichts! Ein Sprecher der Kirche allerdings, der sich heute im Vatikan zu dieser Angelegenheit äußerte, versicherte, dass es sich wohl eher um einen Touristen gehandelt haben muss, der sich lediglich verlaufen hat…
Als sich die Professorin zu ihnen setzte, faltete Matt die Zeitung zusammen. Er war dieser Geisterjunge, den der Mönch gesehen hatte. Matt war durch die Tür in London gegangen und, wie es schien, dadurch nach Italien gelangt. William Morton, der Antiquitätenhändler, der damals im Besitz des Tagebuches gewesen war, musste von dieser Verbindung gewusst haben. Er hatte Matt auf die Probe gestellt, indem er ihn in der Kirche St. Meredith’s durch eine Tür geschickt hatte. Und als Matt mit einer Blume zurückkehrte, die er in einem anderen Land gepflückt hatte, war bewiesen, dass er tatsächlich einer der Fünf war.
Aber wie hatte diese Verbindung funktioniert? War sie von denselben Leuten konstruiert worden, die auch die Tore gebaut hatten? Und wenn ja, warum? Für Matt war das ein Rätsel.
Die Steaks waren fertig. Professorin Chambers servierte sie mit selbst geerntetem Salat. Erst als sie gegessen
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