Teuflische Kuesse
würde
Gott mich schließlich nicht bestrafen. Ich bin diejenige, die die Erfüllung
ihrer eigenen Wünsche für eine himmlische Fügung gehalten hat. Ich bin die, die
niederträchtig war, die gelogen hat, die ...«
Die
trübsinnige Auflistung all ihrer Sünden hätte vermutlich ganze Tage in
Anspruch genommen, wäre nicht Lottie mit einem Teller voller Naschereien
hereingestürzt.
Lauras
Schwester hatte schnell herausgefunden, dass der Nordflügel Devonbrooke Halls
bestgehütetes Geheimnis barg. Diana hatte sich hier eine anheimelnde Zuflucht
eingerichtet; ganze Welten entfernt vom kalten Marmor und vom dunklen
Mahagoni, die den Rest des Herrenhauses beherrschten. Die Wände waren mit
Chintz bespannt, dessen Blumenmuster
wunderbar zu den Teppichen passte. Der perfekte Rahmen für die flauschige,
weiße Katze, die sich – wie eines Sultans Lieblingsfrau – auf der
kissenbeladenen Ottomane vorm Kamin hingestreckt hatte.
Wie üblich war
Lottie schon am Plappern, bevor sie noch richtig im Zimmer war. »Oh, Laura, du
müsstest einmal die Leckereien sehen, die Cookie für heute Abend vorbereitet
hat. Es gibt Bonbons und Ingwerkekse und verschiedene Sorten Eiscreme und eine
geschichtete Cremespeise, die mit kandierten Veilchen dekoriert ist, und ganz
bezaubernde, kleine, französische Küchlein in Herzform, die in Rum getränkt
sind. Sie hat mir von allem zum Probieren mitgegeben, und Sterling hat gesagt,
dass ich die ganze Nacht lang aufbleiben darf, wenn ich mag, obwohl ich noch
gar nicht alt genug zum Tanzen bin.«
Laura
stierte unverwandt Lotties Teller an. Ihre Zunge fuhr heraus und leckte die
Lippen. »Ich bin kurz vorm Verhungern. Gib mir was!«
Lottie
hatte sich den unpassendsten Moment zum Trotzigsein ausgesucht. »Nein, das
gehört mir!« Sie drückte sich den Teller fest an die Brust. »Geh und hol dir
deinen eigenen Teller!«
Laura stand
auf und machte gefährliche Schlitzaugen. »Du gibst mir jetzt etwas ab, du
gieriger kleiner Fratz, oder ich hau dir eine runter!«
Lotties
Mund klappte auf. »Nein, das tust du nicht. Du hast mir nie eine runtergehauen.
Nicht mal, wenn ich es verdient gehabt hätt.«
»Es gibt
immer ein erstes Mal.« Laura schnappte Lottie den Teller weg.
Lotties
Unterlippe fing zu zittern an. »Das sag ich Cookie! Und du bist eine böse, alte
Herzogin, das bist du!« Sie stürmte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
»Celeste,
vielleicht siehst du einmal nach, ob die Wäscherin das Kleid Ihrer Gnaden
fertig geplättet hat«, sagte Diana und schaute mit fasziniertem Entsetzen Laura
zu, die sich ein Küchlein nach dem anderen in den Mund schob.
Als die
Zofe verschwunden war, lief Diana im Kreis um Laura herum.
»Oh, Lottie
hatte Recht!«, verkündete Laura und verdrehte hingerissen die Augen. »Diese
französischen Küchlein sind ganz exquisit.« Sie verputzte den Rest, leckte sich
die Krümel von den Lippen und zog eine Grimasse, weil sie auch etwas von der
Bleichcreme erwischt hatte.
»Gütiger
Himmel.« Diana sank auf der Ottomane zusammen und hätte sich beinahe auf ein
entrüstet fauchendes weißes Fellknäuel gesetzt. »Du bekommst ein Kind, nicht
wahr?«
Missmutig
verkroch sich die Katze unter dem Bett, auf das Laura sich sinken ließ. Jetzt
war es ihre Unterlippe, die zu zittern begann.
»Wie lange
weißt du es schon?«, fragte Diana sanftmütig.
Eine
einsame Träne trullerte ihre holprige Bahn durch Gowland's Lotion. »Ich hatte
seit letzter Woche den Verdacht. Aber sicher weiß ich es erst, seit ich heute
Morgen mein Frühstück in die Waschschüssel spucken musste und dem armen
Addison völlig grundlos fast den Kopf abgerissen habe. Dieser liebenswerte Mann
ist fast in Tränen ausgebrochen.«
»Ganz
überraschend kann das aber nicht gewesen sein. Vor allem, wenn man die
nächtlichen Besuche meines Cousins bedenkt.«
Laura
schaute sie mit großen Augen an. »Woher weißt du das?«
»Es mag ein
riesiges Haus sein, aber ich bin nicht blind. Und taub auch nicht.«
Die
Bleichcreme hinderte Lauras Ohren nicht daran, rot zu werden. »Gib dich ja
keinen romantischen Vorstellungen hin, Diana. Er kommt nur seinen ehelichen
Pflichten nach.«
»Mit
unermüdlichem Enthusiasmus, wie ich anmerken möchte«, sagte Diana trocken.
»Hast du es ihm gesagt?«
Laura
schüttelte den Kopf. »Warum auch? Wenn er seinen heiß ersehnten Erben hat,
verfrachtet er mich auf eines seiner Güter, vorzugsweise nach Schottland oder
Wales, und vergisst einfach, dass ich je existiert
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