Teuflische Kuesse
Gedanke durch den Kopf – sie war
dankbar, dass Schleppen aus der Mode waren und sie wenigstens keine Angst haben
musste, über die ihre zu stolpern und die restlichen Stufen hinunterzukullern.
Sie stockte
nicht, jedenfalls nicht, bis sie unten am Treppenaufgang ihren Ehemann
entdeckte, der sie erwartete. Sein honiggoldenes Haar kontrastierte
atemberaubend mit dem schwarzen Frack und dem gestärkten weißen Hemdkragen.
Sein Blick wirkte gelassen, aber dieses seltene Grübchen flirtete mit seiner
Wange.
»Es ist Tradition,
dass der Ball vom Ehrengast eröffnet wird«, flüsterte er und streckte ihr die
Hand hin.
Laura
reichte ihm die behandschuhte Hand und gestattete ihm, sie zur Mitte des
Ballsaals zu geleiten. Wie aufs Stichwort setzten die Musiker ein und spielten ein
glockenhelles Menuett.
Laura hatte
das Menuett nie für einen besonders leidenschaftlichen Tanz gehalten, doch
jedes Mal, wenn sie Sterling wieder gegenüberstand und sie sich an den Händen
nahmen, schlug ihr Herz schneller. Sie tanzten, wie sie es am Tag ihrer
Hochzeit hätten tun sollen, die maßvollen Bewegungen nicht weniger erotisch als
der Tanz, den sie letzte Nacht in ihrem Bett absolviert hatten.
Als die
letzte zarte Note verklang, war Laura so außer Atem, als hätte sie Polka
getanzt.
Der herzliche
Applaus war noch nicht verstummt, als eine Schönheit mit kastanienbraunem Haar,
deren ausladender Busen aus dem tief ausgeschnittenen Mieder zu springen
drohte, auf sie zugelaufen kam. »Euer Gnaden«, schnurrte sie und versank in
einen tiefen Knicks, der die Gefahr nur noch vergrößerte.
»Lady
Hewitt, wenn ich mich recht entsinne. Ich hoffe, der Gatte ist wohlauf.«
Sterling warf einen Blick auf seine Gäste, von denen die meisten den
Wortwechsel mit größtem Interesse verfolgten. Die Umstehenden liefen Gefahr,
sich beim Versuch zu lauschen, gar die Hälse zu verrenken. »Begleitet Ihr
Gemahl Sie heute Abend?«
»Ich
fürchte, mein Bertie hat einen ganz widerwärtigen Anfall von Gicht.« Sie zog
eine hübsche Schnute. »Das sind wohl die Risiken, wenn man einen sehr viel älteren Mann heiratet. Ich bin
bei eigenen Bedürfnissen oft auf mich gestellt.«
»Wie
bedauerlich. Ich hatte mich schon darauf gefreut, seine Bekanntschaft zu
machen. Haben Sie meine Gattin schon kennen gelernt?«
Lady Hewitt
nickte Laura unterkühlt zu. »Wie geht es Ihnen, Herzogin? Ich habe viel von
Ihnen gehört. Ganz London zwitschert aufgeregt über diese blitzartige
Brautwerbung.« Sie betonte ihre Worte so boshaft, wie es gerade noch ohne
Beleidigungsklage ging.
»Das
überrascht mich nicht.« Sterling zwinkerte der Dame diabolisch zu. »Ein echter
Skandal, oder fällt Ihnen dazu etwas anderes ein?«
Das
Eingeständnis schien Lady Hewitt zu verstören. Die blasse Hand flatterte nervös
an den Hals. »Sie wissen ja, wie solches Gerede in Gang kommt. Zumal Sie nach
Ihrer Rückkehr ja wie ein Einsiedler gelebt hatten.«
»Weil ich
mich nicht von meiner Liebsten losreißen konnte.« Sterling legte Laura
besitzergreifend den Arm um die Taille und lächelte sie fröhlich an, während
seine Augen vor Übermut blitzten. »Als ich meine Laura hier gesehen habe,
wusste ich, ich muss sie haben. Es war fast, als seien wir schon jahrelang
verlobt, nicht wahr, meine Liebe?«
»Äh ... öh
...« Laura hatte vergessen, wie verheerend Sterlings Charme sein konnte, wenn
er zur Hochform auflief. Sie hätte endlos so weiter gestammelt, wenn er ihr
keinen ordentlichen Rempler verpasst hätte. »Oh! Ja, es war ganz extraordinär!
Wir haben schon bei unserem ersten Treffen über unsere gemeinsame Zukunft
gesprochen!«
»Wie haben
Sie beide einander nur getroffen? In Anbetracht Ihrer so unterschiedlichen ... Lebenssituationen.« Lady Hewitt blähte die Patriziernase. »Ich nehme an, es war der reine
Zufall.«
Sterling
kicherte. »Manche würden es Zufall nennen. Ich nenne es Schicksal, das ich
einer störrischen Stute verdanke. Nachdem sie mich abgeworfen hatte, war Laura
die Erste, die über mich gestolpert ist. Ich muss zugeben, ich war völlig ihrer
Gnade ausgeliefert.«
Laura
strahlte ihn zwar unverwandt an, trat ihm dabei aber fest auf den Fuß. »Und ich
kann mich nicht erinnern, dass du dich je darüber beschwert hättest.«
»Ganz im
Gegenteil. Als du zugestimmt hast, mich zu heiraten, war das der glücklichste
Tag in meinem Leben.«
Laura
klimperte ihn mit den Wimpern an. »Wie hätte ich einem so eloquenten,
romantischen Antrag widerstehen können?«
Er zog
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