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Teuflische Kuesse

Teuflische Kuesse

Titel: Teuflische Kuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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keine
Blöße geben vor irgendeinem Überraschungsgast. Jeder wankende Schritt ließ
seinen Kopf vor Schmerzen dröhnen. Als er den Toilettentisch endlich erreicht
hatte und dankbar auf den Stuhl sank, war seine Haut nasskalt vor Schweiß, und seine Hände
zitterten.
    Er packte
den Rand des Tischs und wartete, dass seine Finger sich beruhigten. Er war
noch nicht bereit, in den Spiegel zu sehen und betrachtete stattdessen die
Tischplatte, wo ein charmantes Durcheinander herrschte. Es sah aus, als habe
sich hier gerade eine Dame zurechtgemacht, die jeden Moment ins Zimmer
zurückkommen konnte. Ein Tütchen voller Haarnadeln mit Perlmuttköpfen lag
offen in einer dünnen Schicht aus Reispuder. In einer Bürste mit silbernem
Rücken entdeckte er kastanienbraunes Haar, durchsetzt mit Grau. Er zog den Stöpsel
aus einem Duftflakon. Der berauschende Duft von Orangenblüten erfüllte ihn mit
einem unbeschreiblichen Gefühl des Verlusts.
    Aus einer
Lackdose hing ein goldenes mit Perlmutt eingelegtes Medaillon. Er nahm es in
die Hand und mühte sich mit dem winzigen Verschluss ab. Jemand hatte eine
blonde Locke feinen Kinderhaars sorgsam in dem anmutigen Oval verstaut. Er
fragte sich, ob irgendwer ihn jemals genug geliebt hatte, sich ein solches
Andenken an seine unschuldigen Kinderjahre aufzubewahren. Er schloss das
Medaillon und legte es in die Dose
zurück.
    Er konnte
dem Mann im Spiegel nicht auf ewig ausweichen. Also holte er tief Luft, beugte
sich vor und hoffte verzweifelt auf einen
Schimmer des Erkennens. Aus dem Spiegel starrte ihn ein Fremder an.
    Er wollte
zurückweichen, doch er schaffte es nicht. Zu faszinierend war der wild
gelockte Satyr, der hinter dem Spiegel wohnte. Er
hatte ein Gesicht, das man in den besseren Kreisen wohl als
unwiderstehlich gut aussehend bezeichnet hätte, so man sich nicht an dem Anflug
von Arroganz störte. Oder an dem
hämischen Zug um den Mund. Es war das Gesicht eines Mannes, der
gewöhnt war zu bekommen, was er wollte. Die Sorte Gesicht, die den Mächtigen
dieser Welt gehörte, nicht wegen
seiner Tugenden oder seines Charakters, sondern der schieren physischen
Ausdruckskraft wegen, der klaren Flächen und Winkel wegen. Er musste zugeben,
es war ein bemerkenswert verlockendes Gesicht.
    Nur war er
nicht sicher, ob er es haben wollte.
    Was auch
immer Laura behauptet hatte, es schien ihm nicht das Gesicht eines Mannes zu
sein, der seiner Verlobten gegenüber allzeit äußerste Schicklichkeit wahrte.
    »Wie
geht's?«, fragte er den Mann im Spiegel. »Ich heiße Nicholas. Nicholas ...
Radcliffe.« Er runzelte die Stirn. Der Name lag
ihm schwer und ungewohnt auf der Zunge wie eine fremdländische Sprache. »Darf
ich mich vorstellen, Mr Nicholas Radcliffe«, wiederholte er angestrengt. »Und
das ist meine Verlobte, Miss Laura Fairleigh.«
    Na also.
Zumindest Letzteres fühlte sich ein bisschen selbstverständlicher an. Ihr Name
ging ihm vertrauter über die Lippen, wie ein altbekanntes Liedchen.
    Er fuhr
sich mit der Hand über die goldenen Stoppeln auf seinem Kinn. Was in aller Welt
hatten sich diese beiden dümmlichen Dienstboten dabei gedacht, ein
unschuldiges Mädchen mit einem Mann allein zu lassen, der so aussah wie er?
    Falls sie
überhaupt so unschuldig war, natürlich.
    Mit dieser
Stupsnase, die sich kräuselte, sobald sie lachte, und den Sommersprossen auf
den sonnengeküssten Wangen sah sie
zumindest so aus. Das dicke braune Haar, das sie am Scheitel zu einem Knoten
geschlungen hatte, war nur ein klein wenig gelockt, und ihre dunklen
Augenbrauen bogen sich über Augen, die intensiv und süß waren wie geschmolzene
Schokolade.
    Sie war
keine Schönheit, aber die hübscheste Frau, die er je gesehen hatte. »Zur Hölle,
noch mal«, flüsterte er. »Wenn es nach deinen
Erinnerungen geht, ist sie die einzige Frau, die du je gesehen hast.« So
man nicht diese Harpyie mit dem Beil und dem schwachen Schatten eines
Damenbarts mitrechnete – was er aber strikt verweigerte.
    Die Augen
des Fremden im Spiegel blitzten ganz eindeutig vor Zynismus. Er hätte einer
Frau niemals geraten, einen solchen Mann
zu belügen, und wenn doch, nur auf eigene Gefahr.
    Warum also
ging Laura Fairleigh dieses Risiko ein? Er hätte nicht einmal sagen können,
warum er so sicher war, dass sie log.
Irgendein Instinkt, der tiefer gründete, als die Erinnerung es tat,
schien ihn zu warnen. Vielleicht log sie auch gar nicht explizit, sondern
verbarg lediglich etwas. War ihre Verlobung arrangiert
worden? Fehlte es

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