Teuflische Kuesse
möglicherweise an wirklicher Zuneigung? Die nächste
Überlegung verursachte ihm ein seltsam unterkühltes Gefühl.
Vielleicht
war sie ihm während seiner Abwesenheit untreu geworden. Vielleicht war sie es
leid gewesen, auf seine Rückkehr zu warten, und hatte in den Armen eines
anderen Mannes Trost gesucht.
Schuldgefühle
hätten ihr Stottern erklärt, ihren Widerwillen, ihm in die Augen zu schauen,
und auch den rasenden Pulsschlag, den seine Fingerspitzen ertastet hatten, als
sie die seidige Haut ihres Handgelenks liebkosten.
Aber
Schüchternheit erklärte all das ebenso. Wenn sie tatsächlich so lange
voneinander getrennt gewesen waren, wie Laura behauptet hatte, war es nur
natürlich, dass seine körper liche Nähe sie bange werden ließ. Vielleicht
wartete sie auch darauf, wie jedes unberührte Mädchen, dass er sie mit zärtlichen
Worten und unschuldigen Küssen in seine Arme lockte.
Er dachte
daran, wie der rosafarbene Musselin ihres Kleides auf ihrer rosigen Haut
geklebt hatte und musste sich eingestehen, dass er sich dieser Aufgabe mit
Freuden gewidmet hätte. Seine Verlobte mochte schlank und feingliedrig sein wie
ein Fohlen, aber ihre Rundungen hatten die aufreizende Anmut einer Frau. So
viel wusste er, seit sie zusammen aufs Bett getaumelt waren und ihre festen,
schön gehobenen Brüste sich an seine Seite gedrückt hatten. Er zog den Quilt
zurecht und musste feststellen, dass es ihm nicht die erhoffte Erleichterung
brachte, wenn zusätzlich zu seinem Kopf noch ein anderer Körperteil zu pochen
begann.
»Also gut,
Nicholas, alter Junge«, sagte er zu seinem reumütigen Spiegelbild. »Bis dein
Gedächtnis zurückkehrt, wird dir nichts anderes übrig bleiben als abzuwarten
und zuzusehen, dass du deine zukünftige Braut und dich selbst kennen lernst.«
Seine
Verlobte mochte vielleicht hoffen, dass er sich im Netz ihrer Lügen verfing,
aber ein unstreitiges Stückchen Wahrheit klebte doch in ihren glitzernden
Spinnenfäden – Laura Fairleigh war leicht zu lieben.
KAPITEL 5
Dich
verloren zu haben, hat mich
vor Kummer fast wahnsinnig werden lassen ...
»Hast du
den Verstand
verloren, Kind?«, heulte Cookie auf und plumpste auf einen Heuballen. »Du
kannst doch nicht so mir nichts, dir nichts einen fremden Mann heiraten.«
George
schlug mit der Faust auf die splittrige Holzbank, auf der er sich rittlings
niedergelassen hatte. »Und ob sie das nicht kann! Schließlich bin ich der Mann
in der Familie, und ich werde es, verflucht noch einmal, nicht erlauben!«
»Nicht
fluchen, George«, mahnte Laura ganz automatisch.
Dower
beugte sich hinüber und gab George einen Klaps auf die Ohren. »Hast gehört, was
deine Schwester gesagt hat. Sollst nicht fluchen. Is nämlich nicht fromm. Und
überhaupt is das meine Sach, sie dran zu hindern, dass sie den verbrecherischen
Bastard heiratet.«
Laura
seufzte. Sie hatte berücksichtigt, dass George gerne überreagierte, Lottie
einfach nicht leise sprechen konnte und Dower sich eines recht bildhaften
Vokabulars bediente und hatte das Familientreffen deshalb in der Scheune
einberufen. Außer Hörweite ihres Diskussionsgegenstands. Nachdem sie ihr
Vorhaben erläutert hatte – in einer perfekten Mischung aus brillanter
Raffinesse und unwiderleglicher Logik, wie sie geglaubt hatte –, waren die
Anwesenden in unterschiedlich schwere Anfälle von Entgeisterung und Wut
verfallen. Was Laura letztlich bewies, dass ihr Instinkt sie nicht getrogen hatte.
Sogar die alte Milchkuh, die den Kopf über die Stalltür hängte, an der Dower
lehnte, hatte missbilligend gemuht.
Aus dem
Nest, das Lottie oben auf dem Heuboden für sich und ihre Kätzchen gegraben
hatte, schniefte es vernehmlich, was üblicherweise erstes Anzeichen für
lauthalses Geschluchze war. »Was passiert mit uns, wenn er herausfindet, dass
wir ihn belogen haben? Stellt euch nur vor, dass er zum Gericht geht und uns
aushängen lässt?«
»Aufhängen
lässt«, korrigierte Laura freundlich.
Dower
schnaubte. »Wie sollt er uns den Richter auf'n Hals hetzen, wo er doch selber
vorm Gesetz abgehauen ist? Ein kluger, feiner Herr, wie der einer ist, lässt's
nicht drauf ankommen, dass er selber hängt.«
»Er wird
uns niemals glauben«, prophezeite George verdrossen.
»Aber
sicher wird er das«, insistierte Laura. »Wir müssen uns nur auf die Sache
einlassen. Es wird genauso wie damals, als Lady Eleanor uns jedes Weihnachten
geholfen hat, für die Kinder im Dorf ein Krippenspiel aufzuführen. Alle haben gesagt,
wie
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