Teuflische Lust
Sie konnte es zwar nicht sehen, doch sie war sicher, dass sich unter den Füßen des Mannes eine kleine Pfütze gebildet haben musste. Er sah wirklich ganz schrecklich aus. Jeder normale Mensch würde sich wohl einen Schnupfen holen. Aber ob Dämonen sich erkälten konnten, wagte sie zu bezweifeln.
»Lucas«, hauchte sie überrascht. Hatte ihre Beschwörung doch funktioniert?
Rasch öffnete sie die Tür, um ihn einzulassen. Doch imselben Moment hoffte sie, dass es kein Fehler gewesen war. Schließlich, und das durfte sie nicht vergessen, auch wenn ihr Herz vor Glück heftig pochte, war er an und für sich ein gefährliches, wenn auch verführerisches Wesen.
»Darf ich hineinkommen?«, fragte er. Seine Stimme klang erschöpft.
»Ja.«
Er zog eine Spur aus Matsch hinter sich her, und als er den Mantel auszog, flossen ganze Rinnsale aus Regenwasser über den ledernen Stoff auf ihren Teppich. Die Stiefel streifte er ab, als er den Schmutz bemerkte, und stellte sie vor die Tür.
»Das tut mir leid«, entschuldigte er sich und hängte den Mantel auf.
»Macht nichts. Ich hole ein Tuch«, entgegnete sie.
Als sie mit einem nassen Lappen und einer Küchentuchrolle in den Flur zurückkam, sah sie einen am Boden hockenden Lucas und einen Karli, der neugierig an dessen Hand schnupperte. Wie seltsam. Karli hatte ihn doch nie leiden mögen. Warum war er plötzlich so zutraulich und freundlich?
Lucas hob den Kopf und lächelte sie sanft an. Dann streckte er die Hand nach Lappen und Küchentuchrolle aus und begann, den Teppich vom Matsch zu reinigen. Alexia sah ihm sprachlos dabei zu.
»Ich hätte nicht gedacht, dass Dämonen solche Hilfsmittel benutzen, um Teppiche zu reinigen«, sagte sie schließlich, obwohl sie in Wahrheit nie darüber nachgedacht hatte, was Dämonen konnten und was nicht. Doch der Spruch war ihr passend erschienen, um die Stimmung etwas zu lockern.
Lucas sah zu ihr hoch und lächelte. »Normalerweise tun sie das auch nicht. Genauso wie sie auch nicht nass werden.«
Die Aussage verwirrte sie. Er war doch klitschnass.
Lucasstellte die Küchenrolle auf die Kommode und blickte sich hilfesuchend um, weil er nicht wusste, wohin er mit den schmutzigen Tüchern und den Lappen sollte. Alexia nahm ihm beides ab und nickte in Richtung ihres Wohnzimmers. »Setz dich einfach rein. Ich kümmere mich um den Rest.«
Sie ging in die Küche, um alles wegzuwerfen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Karli Lucas folgte. Er schien den Dämon plötzlich sehr zu mögen. Als sie ins Wohnzimmer kam, hatte ihr dicker Gingerkater sogar auf seinem Schoß Platz genommen.
»Wieso bist du nass?«, fragte sie und ließ sich in ihren Sessel fallen.
Lucas kraulte Karli hinter dem Ohr, der laut schnurrte, und sah dann wieder zu ihr auf. Seine Augen wirkten sehr warm und freundlich, und sein Lächeln übertraf ihr Strahlen sogar.
»Ich habe darauf keinen Einfluss mehr.«
Ihre Verwirrung war zu offensichtlich. Sie merkte selbst, wie ihr die Gesichtszüge entgleisten. Er hatte keinen Einfluss mehr? Wie war das denn zu verstehen?
Lucas lachte leise. »Ich bin ein Mensch wie du. Kein Dämon mehr«, sagte er, und seine Wangen röteten sich bei diesen Worten.
»Du bist …« Sie konnte es nicht glauben. War das wirklich wahr?
»Ein Mensch.« Er nickte bestätigend.
»Aber … wie?«
»Ich hatte die Wahl. Werde ein Mensch oder sei weitere tausend Jahre in einer ungemütlichen Kiste eingesperrt. Ich fand Ersteres die deutlich bessere Alternative.«
»Wieso …?« Sie fand einfach nicht die richtigen Worte. Diese Nachricht warf sie aus der Bahn. Wer hatte ihn vor dieWahl gestellt und warum? Steckte er in Schwierigkeiten? Sie sah ihn forschend an. Nein, er wirkte ganz gelöst und sogar glücklich, dabei hatte er doch all seine Kräfte verloren, und sie hatte sich gerade mit dem Gedanken angefreundet, dass er ein Dämon war. Und jetzt war er das plötzlich nicht mehr?
»Weil ich bei dir sein möchte.«
Er setzte den Kater neben sich auf die Couch, erhob sich und kam auf sie zu. »Das war der einzige Weg, bei dir zu bleiben, ohne dir zu schaden.«
Sie senkte den Blick. Hoffentlich würde er diese Entscheidung nicht eines Tages bereuen. Er war nun sterblich und verwundbar. Es musste sich seltsam für ihn anfühlen, aber darüber schien er sich zumindest im Moment keine Gedanken zu machen.
»Warum bist du enttäuscht?« Sein Lächeln erstarb, und er blickte sie nachdenklich an.
»Ich bin nicht enttäuscht«, besänftigte sie ihn.
Weitere Kostenlose Bücher