Tharsya. Die Rückkehr der roten Drachen
Angst.“
„Hab ich nicht.“
„Dann dreh dich doch mal um und genieße die Aussicht – oder noch besser: Setz dich auf!“
Lumiggl verzog das Gesicht.
„Das – das ist doch kindisch“, wehrte er ab, „einfach lächerlich!“
„Das sagst du nur, weil du dich nicht traust!“
„Ich habe an anderes zu denken.“
„Ach? Was denn?“
„Wir werden Tage brauchen, um wieder nach Hause zu kommen.“
„Ach was, bestimmt dreht der Wind wieder – du willst nur davon ablenken, dass du Angst hast“, Floritzl klopfte dem Freund neckisch auf die Schulter. „Schau mal, die Berge, die sind jetzt ganz nah – äh, viel zu nah.“
„Wann wohl die Wirkung nachlässt von diesem Teppich?“
„Weiß ich nicht, nur nicht gerade jetzt, wenn wir auf die Berge zutreiben.“
„Was ist passiert?“
„Nichts. Wir sind nur nicht hoch genug, um drüber weg zu segeln.“
„Was?“
„Ich glaube, die Wirkung lässt doch nach. Wir verlieren an Höhe.“
„Und was heißt das?“
Plötzlich erfasste sie ein Wirbel und drehte sie um und um.
„Halt dich fest, Lumiggl!“
„Wir stürzen ab, heiliges Gerstenkorn, hilf.“
Beide warfen sich in die Mitte des Teppichs und klammerten sich schreiend aneinander. Floritzl war so erschrocken, dass er sogar vergaß, dass er Flügel hatte. Der Boden raste auf sie zu.
Der Teppich begann, sich vom Rand her aufzulösen, und in einem Schweif aus Blumen, Gräsern, Moos und Seidenfäden rasten die beiden Freunde dem Erdboden zu. Plötzlich ein Bums, ein Ruck, ein Aufschlag, und dann nichts mehr.
Kapitel 3
handelt von Drachen und Tischmanieren und einem Moosvolk im Innern eines Berges
Lumiggl setzte sich auf und rieb sich den Kopf, mit dem er angestoßen war. Er lag auf einem Schneehügel, so ein Glück. Der weiche Schnee hatte den Aufprall abgemildert. Und wunderbar warm war er auch. Schnee – warm? .
„Floritzl, das ist kein Schnee!“
Jetzt erst sah er sich nach seinem Gefährten um. Der Elf hatte sich mühsam aufgerappelt und versuchte nun schluchzend, seine zerknitterten Flügel zu glätten und zu ordnen.
„Floritzl, hör doch mal, das ist kein Schnee!“
„Schau dir das nur mal an! Ich glaub, ich hab mir die Flügel gebrochen.“
„Das ist kein Schnee, Floritzl!“
„Alles tut mir weh. Schnee, wieso Schnee?“
„Weil – der Hügel hier ist so weiß wie Schnee, aber ...“
„Ach so. Ist doch egal. Meine armen Flügel. Ob das je wieder heilt?“
„Aber Floritzl!“
„Und bestimmt hab ich haufenweise blaue Flecken.“
Lumiggl wollte gerade zu seinem Freund rennen und ihn schütteln, als ihn eine Stimme erstarren ließ: „Ich möchte nicht unhöflich sein, aber was macht ihr beide da auf mir?“
Langsam, ganz langsam wandte Lumiggl den Kopf. Als er nur Weißes vor sich sah, hob er den Blick und gewahrte über sich zwei riesige Augen, die in allen Farbtönen von blau bis fliederfarben irisierten. Sie sahen ihn an aus einem Gesicht so weiß – ja, so weiß wie der Hügel, auf dem der Wombling stand. Er bemerkte zwei große runde Nasenlöcher und darunter ein riesiges Maul voller Zähne – spitzer Zähne, zumindest einige davon. Als Lumiggl der Zusammenhang dämmerte, bekam er endgültig weiche Knie. Er zitterte am ganzen Körper und hatte Mühe, seine Zähne am Klappern zu hindern. Dies musste ein Ungeheuer sein und er stand auf seinem Bauch, oder seinem Rücken, oder sonst wo. Jedenfalls mitten drauf.
„Es ist nämlich so“, fuhr die Stimme, die eindeutig aus dem großen Maul voller Zähne kam, in entschuldigendem Tonfall fort, „wenn ihr auf mir herumlauft kitzelt das ungemein. Ich habe dann Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. An sich keine große Angelegenheit, ich lache gern und häufig und leider auch über die schlechtesten Witze. Aber im Augenblick wäre das nicht angebracht. Zum einen könnte sich der Elf (er ist doch ein Elf?) gekränkt fühlen, wenn ich mich über seinen Kummer ausschütte. Zum anderen, wenn ich lache, bebt mein Bauch, und ich weiß nicht, ob ihr dann noch einmal so sanft landet. Womöglich tut ihr Euch dann noch ärger weh als bereits geschehen, und das würde ich mir nie verzeihen.“
Die Stimme war tief, voll, warm und, ja, sympathisch.
„Tut – tut uns leid“, stotterte Lumiggl. „Es war gar nicht unsere Absicht, wir wollten gar nicht hier landen, eigentlich wollten wir überhaupt nicht landen, wir wollten genaugenommen gar nicht wegfliegen. Wir sollten gar nicht hier sein, und natürlich wollten wir Euch auch
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