The American Monstershow in Germany
waren he uschreckengleich über das Land gezogen auf der Suche nach wahren Antiquitäten und alten Stücken, die man an dumme oder besessene Reiche als Antiquitäten verkaufen konnte. Und obwohl es zweifellos zu ihrem Geschäft gehörte, die Leute übers Ohr zu hauen, zahlten sie doch beachtliche Preise für Zeug, das schon jahrzehntelang auf einem Dachboden verrottete. Wenn die Leute gewiss ein Mehrfaches dessen von ihren Kunden verlangen würden, was sie den Anbietern zahlten, so hätte doch keiner aus dem Dorf zu sagen gewusst, wie man mit Trödel solche Preise erzielen konnte. Also war es besser, gleich an die Holländer zu verkaufen.
In Felsengrund waren mehrere Holländer von Haus zu Haus gefahren und hatten gefragt, ob nicht eine alte Truhe, ein wurmstichiges Bett oder Zinnkrüge in irgendeinem Winkel des Hauses zu finden wären. Es fand sich manches, und die Holländer fuhren schwer beladen wieder in Richtung Westen. Trotzdem hing noch immer an jedem zweiten Baum im Ort ein Anschlag, dass man bei sofortiger Bezahlung alten Hausrat, Blechspielzeug und alte Möbel aufkaufe.
Eigentlich dürfte sich niemand mehr melden, ging es Andreas durch den Kopf, denn die Holländer waren wirklich in fast jedem Haus gewesen. Allein das Becker-Anwesen hatten sie gemieden.
Andreas hatte gesehen, dass einer der Holländer (der mit dem dunkelroten BMW) vor dem Becker-Anwesen gehalten hatte. Ein vierschrötiger Kerl mit der Visage eines Preisboxers. Andreas hatte sich gefragt, wie ein Mensch mit solch einer Ausstrahlung gute Geschäfte machen konnte. Andreas hätte diesem Mann nicht einmal die Beschreibung des Wegs zum Freibad geglaubt. Der Holländer war ausgestiegen, vor die Vordertür getreten und hatte dort zwei Minuten verharrt. Man hätte glauben können, er warte, dass jemand die Tür für ihn öffne. Dann hatte der Mann plötzlich auf dem Absatz kehrtgemacht, war in seinen Wagen gesprungen und davongerast, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Und dieser Mann sah wahrlich aus, als hätte er mit diesem einen Ringkampf abhalten können.
All das war Grund genug für Andreas, dieses Haus nicht zu mögen. Aber er war Dirk dennoch gefolgt, als dieser vorschlug, sich hier nach Schätzen umzusehen. Das hatte zwei Gründe. Zum einen war Andreas, genau wie Dirk, noch am Gymnasium und litt, jetzt erst recht, unter chronischem Geldmangel, den der Verkauf einer alten Kommode an die Holländer zumindest kurzzeitig hätte mildern können. Zum anderen waren Kerstin und Vera sofort Feuer und Flamme gewesen, als Dirk mit seiner Idee herausgeplatzt war. Und Andreas liebte Kerstin. Jetzt standen sie zu viert vor dem verfallenen Becker-Anwesen, und Andreas wäre am liebsten umgekehrt. Er mochte dieses verfluchte Haus ganz und gar nicht.
„Träumst du?“ riss Dirks Stimme Andreas aus seinen Gedanken. Er stand inzwischen als einziger noch vor der jetzt offenen Eingangstür. „Oder hast du Angst, mitzukommen?“
Die Mädchen kicherten bei Dirks letzten Worten. Andreas schoss eine flammende Hitze ins Gesicht. Nichts hätte er lieber getan, als Dirk in sein sarkastisch lächelndes Gesicht zu schlagen. Aber Dirk war fast einen Kopf größer als Andreas und trainierte Boxen. Es hatte nicht den geringsten Sinn, sich mit ihm anzulegen, zumal wenn Kerstin in der Nähe war. Kerstin war als Zeugin denkbar ungeeignet, wenn er, Andreas, in einem Zweikampf der Unterlegene sein würde.
„ Ich, Angst?“ Andreas presste ein unnatürliches Lachen hervor. Es klang, als habe er gerade den Verstand verloren.
Er trat danach als letzter in den unteren Hausflur und schloss hinter sich die Eingangstür. Ganz legal war es sicher nicht, was sie hier taten, und so war es besser, sie blieben unbemerkt.
Dunkelhe it umfing die vier jungen Leute, sie wurde nur durch wenige Lichtstrahlen gemildert, die unter den Türen zur Küche und unterm Wohnzimmer hervorquollen. Die Luft war muffig und verbraucht. Es roch nach dem Schweiß lange vergangener bäuerlicher Arbeit. Die Dielenbretter knarrten leise. Irgendwo, in einem verborgenen Winkel, fiepte eine Maus.
„ Wie geht‘s jetzt weiter?“ Vera flüsterte. Laute Worte wären ihr in dieser Umgebung als obszön erschienen. Eine innere Spannung hatte sie befallen, sie suchte nach Dirks Händen, griff aber nur ins Leere.
Auch Kerstin fühlte sich plötzlich deutlich unbehaglicher als noch vor wenigen Augenblicken, als das Sonnenlicht durch die offene Eingangstür fallen konnte. Die Dunkelheit lastete als
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