The American Monstershow in Germany
Zunge über die wie zum Kuss gespitzten vollen Lippen. Ab und an spreizte sie, wie um eine Ermüdung zu bekämpfen, die Schenkel, dem Maler den Weg zum Allerheiligsten weisend. Ihre Hände streichelten spielerisch den eigenen Körper, verweilten bei den großen, aber straffen und aufrechten Brüsten, die sich dem Maler entgegenzustrecken schienen. Es war kein Modellstehen, es war ein Tanz der Verführung.
Trotz der Seelenqualen die der Maler an manchen Tagen litt, gedieh das Bild der Frau unter seinen Händen prächtig. Venus am Fenster hatte er es getauft, und er war sicher, es würde sein Meisterwerk werden. Wenn alles, was er je gemalt hatte, nur dazu taugte, verbrannt zu werden, dieses Bild würde ihn überdauern, würde seinen Ruhm als Maler nachfolgenden Generationen mitteilen. Dieses Bild war ein Triumph der Erotik über den Alltag des Lebens. Aber obwohl es voller Sinnlichkeit steckte, war es auch ein Triumph des Gefühls über die nackte körperliche Gier. Venus, die Göttin der Liebe, der seelischen wie der fleischlichen, war in der Lage, beide zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Das war Inhalt und Intention dieses Bildes.
Der Maler hatte es sich bereits bei anderen Aktbildern auferlegt, während der Zeit des Entstehens dieser Bilder seine sexuelle Begierde zu zügeln. Nie hatte er während der Dauer des Modellsitzens mit dem Modell geschlafen. Er wollte seine Schöpfungen auf der Leinwand nicht von Lust besudelt sehen. Diesmal jedoch war der Drang übermächtig, zumal sein Modell so offensichtlich willig und bereit war.
Es überkam ihn wie ein Anfall. Gerade noch hatte er den Pinsel über die gemalten Elfenbeinschenkel der Schönen geführt. Plötzlich durchflutete ihn die Lust. Nur noch wenige Pinselstriche trennten den Maler von der Fertigstellung des Gemäldes, aber er konnte nicht mehr länger warten. Und er wollte es auch nicht. Er lief aus seinem Atelier und ließ seine Venus zurück. Auf den Treppen nahm er drei Stufen auf einmal. Dann lief er zum gegenüberliegenden Haus hinüber und stieg dort eilig zum Dach empor.
Der Maler war in jenen Augenblicken wie von Sinnen. Er hörte und sah nichts. Sonst wäre ihm vielleicht der verfallene Zustand des Treppenhauses aufgefallen. Es sah aus, als hätte schon seit Jahren mehr niemand auch nur einen Fuß in dieses Haus gesetzt. Ratten huschten in den dunklen Ecken umher. Manche der Treppenstufen waren so morsch, dass sie unter dem Gewicht des Malers knackend brachen. Staub lag dick auf dem Geländer und bildete bald einen wirbelnden Nebel, den der Maler durcheilte.
Endlich stand der Maler vor der Tür, hinter der seine Angebetete wohnen musste. Er atmete schwer, so sehr bedrückten ihn das eilige Laufen und die fiebrige Lust. Nachdem er zweimal tief Atem geschöpft hatte, klopfte der Maler laut gegen die Tür. Dumpf hallten die Schläge nach.
Er lauschte, doch nichts regte sich im Inneren der Wohnung. Nur der Wind säuse lte in den Ecken des Gemäuers. Der Maler klopfte erneut, doch auch diesmal regte sich nichts. Nur das hohe Pfeifen einer erschreckten Ratte war deutlich zu hören. Daher entschloss der Maler sich, die Klinke niederzudrücken. Seine Lust aber war zum großen Teil bereits verraucht. Ein Schauer der Furcht hatte sich stattdessen in seiner Brust festgesetzt. Angst legte sich wie ein Riegel über sein Herz und hinderte es zu schlagen.
Langsam öffnete sich die Tür. Dabei gab sie ein quietschendes Geräusch von sich wie der Hilfeschrei einer Frau. Dem Maler bot sich nun ein Bild, das er weder erwartet hatte, noch das zu erfassen er in der Lage war. Sekundenlang sperrte sich der Verstand anzuerkennen, was dort vor ihm lag. Die Tür gab den Blick auf einen alten, verfaulten Hängeboden frei. Spinnweben hingen überall, und der Staub war meterdick. Ein muffiger Geruch, der an eine geöffnete Gruft erinnerte, lag in der Luft. Nichts erinnerte an eine freundliche Wohnung, wie sie der Maler eben noch von seinem Fenster aus gesehen hatte.
Der Maler trat zwei Schritte in den Raum hinein. Dann sah er es und hatte das Gefühl, sein ganzer Körper krampfe sich zusammen. Der Schauer von Entsetzen und Übelkeit begann in seinem Magen und pflanzte sich von dort in alle Körperregionen gleichzeitig fort. Der Maler wollte sich abwenden, wollte nicht sehen, was er sah, doch eine unbekannte Kraft hielt ihn wie mit Fesseln fest.
Direkt vor dem Fenster, an einem alten Wäscheseil aufgeknüpft hing ein Gerippe von oben herab. Es war vollständig
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