The Attack
begann, dramatisch zu und ging erst 1999, als die Greueltaten ihr Ziel erreicht hatten, wieder zurück. Danach wurde Kolumbien, in den neunziger Jahren der la-teinamerikanische Staat mit dem größten Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen, zum führenden Empfänger US-amerikanischer Waffenlieferungen.
In Ost-Timor wurden die indonesischen Aggressoren auch weiterhin von den USA (und Großbritannien) unterstützt. Sie hatten bereits ein Drittel der Bevölkerung ausgerottet und setzten Anfang September 1999 zu einem entscheidenden Schlag an, der 85 Prozent der Bevölkerung aus ihren Häusern vertrieb und das Land zu 70 Prozent zerstörte, während die Regierung Clinton an ihrer Position festhielt, das Ganze liege »in der Verantwortung der indonesischen Regierung, die wir ihr nicht abnehmen Terrorismus und Zivilisation 63
wollen«. Kurz danach jedoch geriet Clinton unter erheb-lichen innen- und außenpolitischen Druck (vor allem durch Australien), die Kämpfe in Ost-Timor zu beenden.
Schließlich signalisierte er den indonesischen Generälen, das jetzt Schluß gemacht werden müsse. Sie änderten ihren Kurs sofort. Zunächst hatten sie noch darauf be-standen, sich nicht aus Ost-Timor zurückzuziehen und richteten im indonesischen West-Timor Verteidigungs-anlagen (bestückt mit britischen Kampfbombern, die weiterhin geliefert wurden) ein, um gegen eine eventuelle Interventionsstreitmacht gerüstet zu sein. Aber dann wi-chen sie dem Druck der amerikanischen Regierung und kündigten den Rückzug an. Ein UN-Friedenskorps unter australischer Führung konnte ungehindert in Ost-Timor landen. Das zeigt sehr deutlich, daß die USA ihren Einfluß schon sehr viel eher hätten geltend machen und der seit fünfundzwanzig Jahren betriebenen Ausrottungs-politik Einhalt gebieten können. Statt dessen leisteten sie 1978, als der Krieg eskalierte, den Mördern entscheidende militärische und diplomatische Hilfe.
Wir lernen sehr viel über die westliche Zivilisation, wenn wir sehen, daß diese schändlichen Vorgänge als Beweis für unsere neue Entschlossenheit zu einer »humanitären Intervention« und als Rechtfertigung für die Bombardierung Serbiens herhalten müssen.
Was unter »Terrorismus« zu verstehen ist
Ich verstehe den Begriff »Terrorismus« so, wie ihn die offiziellen US-Dokumente definieren, nämlich als »kalku-lierte Anwendung oder Androhung von Gewalt, um Ziele zu erreichen, die ihrem Wesen nach politisch, religiös 64 Noam Chomsky
oder ideologisch sind. Das geschieht durch Einschüchte-rung, Zwang oder die Verbreitung von Furcht.« In Übereinstimmung mit dieser - völlig angemessenen — Definition ist der Angriff vom 11. September zweifellos ein terroristischer Akt, besser gesagt: ein schreckenerregendes terroristisches Verbrechen. Darüber herrscht weltweit Einigkeit und sollte es auch.
Aber neben dieser wörtlichen Bedeutung gibt es noch eine propagandistische, die unglücklicherweise die Norm ist: Hier wird der Begriff »Terrorismus« benutzt, um terroristische Handlungen zu bezeichnen, die von Feinden gegen uns oder unsere Verbündeten begangen werden.
Diese propagandistische Bedeutung ist nahezu universell.
Dieser »Terrorismus« wird von allen verurteilt. Auch die Nationalsozialisten wandten sich gegen ihn und lancierten
»gegen-terroristische« Angriffe, um die Partisanen abzuwehren.
Die Vereinigten Staaten verfuhren nach dem Zweiten Weltkrieg kaum anders, als sie in vielen Ländern »Gegen-Terrorismus« (counter-terrorism) betrieben. Ihre Programme beriefen sich ganz explizit auf nationalsozialistische Vorbilder: Offiziere der deutschen Wehrmacht wurden um Rat gefragt und ihre Handbücher genutzt, um weltweit aufständische und rebellierende Gruppen mittels counter-insttrgency zu bekämpfen. In der propagandistischen Verwendung des Begriffs »Terrorismus« können dieselben Menschen und Handlungen sehr schnell von »Terroristen« zu
»Freiheitskämpfern« (und umgekehrt) werden.
Ein Beispiel ist das Kosovo. Hier wurden die Truppen der »Kosovo-Befreiungsarmee« (KLA-UCK) 1998 von
der US-Regierung offiziell als »Terroristen« bezeichnet, weil sie serbische Polizisten und Zivilisten angriffen, um, wie sie selbst erklärten, eine übermäßig brutale Reaktion Terrorismus und Zivilisation 65
Serbiens zu provozieren. Noch im Januar 1999 meinten die Briten — in dieser Angelegenheit die schärfsten Falken in der Nato —, daß die KLA-UCK mehr Personen getötet habe als die serbischen
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