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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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Rohrbomben in seinem Wagen, verdammt … «
    »Vergiss es, das hier will ich auf keinen Fall verpassen. Wenn diese Arschlöcher sich erst einmal einschleichen, werden wir die nie wieder los.«
    »Sie ist erst sechs, sie sollte so etwas nicht sehen.« Kay griff nach meinem Arm. »Wenn du es nicht tust, bringe ich sie eben nach Hause. Deine Ma würde sich schämen!«
    »Nein. Ich will, dass sie das sieht.«
    Er hockte sich vor mich hin und nahm seine Mütze ab. Seine Haare waren ganz zerzaust. Finn sah meinem Vater sehr ähnlich, aber sein Gesicht war freundlich und offen, und er hatte die strahlend blauen Augen eines Sommerhimmels. Er legte mir beide Hände auf die Schultern.
    »Paige Eva«, sagte er mit ernster Stimme, »weißt du, was hier gerade geschieht?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Böse Menschen kommen über das Meer. Sie werden uns in unserer Stadt einsperren, sodass wir nie wieder raus können, und sie zu einem Gefängnis machen, genau wie ihre eigenen Städte. Dann dürfen wir nicht mehr unsere Lieder singen und niemanden mehr besuchen, der nicht in Irland lebt. Und Menschen wie dich, Pip … solche Menschen mögen sie gar nicht.«
    Als ich Finn in die Augen schaute, verstand ich, was er damit meinte. Finn hatte schon immer gewusst, dass ich gewisse Dinge sah. Ich wusste, wo die Geister von Dublin lebten. Machte mich das zu einem bösen Menschen? »Aber warum hat Molly einen Sack über dem Kopf, Finn?«
    »Weil die bösen Menschen das mit denen machen, die sie nicht leiden können. Sie stülpen ihnen Säcke über den Kopf und legen ihnen Schlingen um den Hals.«
    »Warum?«
    »Um sie zu töten. Sogar kleine Mädchen wie dich.«
    Jetzt zitterte ich am ganzen Körper. Meine Augen brannten. In meiner Kehle bildete sich ein Kloß, aber ich weinte nicht. Ich war tapfer. Genauso tapfer wie Finn.
    »Finn!«, rief Kay plötzlich. »Ich kann sie sehen!«
    » WEG MIT SCION ! SCION MUSS GEHEN !«
    Mein Herz raste. Finn wischte mir die Tränen ab und streifte mir seine Mütze über.
    » WIR WOLLEN SCION IN DUBLIN NICHT SEHEN !«
    »Sie kommen, Paige, und wir müssen sie aufhalten.« Seine Finger bohrten sich in meine Schultern. »Willst du mir dabei helfen?«
    Ich nickte.
    »Finn! Oh, Gott, Finn, sie haben Panzer!«
    Und dann explodierte die Welt um mich herum. Die bösen Menschen hatten ihre Waffen ausgerichtet und schossen ihre Feuerpfeile direkt in die Menge.
    *
    Als ich aufwachte, hatte ich immer noch das Dröhnen der Schüsse im Ohr.
    Meine Haut war mit kaltem Schweiß überzogen, aber innerlich brannte ich vor Hitze. Die Erinnerung hatte wie eine Flamme meinen ganzen Körper erfasst. Vor meinem inneren Auge sah ich Finns Gesicht, verzerrt vor Hass … Finn, der mich immer Pip genannt hatte.
    Mit den Füßen schob ich den Schlafsack zurück. Dreizehn Jahre waren vergangen, und ich konnte immer noch die Schüsse hören. Sah immer noch Kay vor mir, die Augen weit aufgerissen und im Schrecken des Todes erstarrt. Das Blut auf ihrem Shirt. Ein gezielter Schuss ins Herz. Das war der Grund dafür, dass Finn auf die Soldaten zustürmte und mich zurückließ, ängstlich hinter Mollys Schubkarre gekauert. Immer und immer wieder schrie ich nach ihm, aber er kam nie zurück.
    Ich habe ihn nie wiedergesehen.
    Danach verschwamm die Erinnerung. Irgendjemand brachte mich nach Hause. Ich weiß noch, dass ich um Finn weinte, bis mein Hals ganz wund war. Und dass mein Vater nicht zuließ, dass ich Tante Sandra noch einmal sah, erst wieder bei der Beerdigung. Danach weinte ich nicht mehr. Tränen brachten niemanden zurück. Ich wischte mir mit meinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Eigentlich musste ich mich immer noch auf dem Gelände von Magdalen befinden. Während ich mich auf die Seite drehte, merkte ich, dass meine Füße durch die Kälte ganz taub geworden waren. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen.
    Das Feuer musste ausgegangen sein. Es regnete, aber ich wurde nicht nass. Als ich die Hand in die Höhe streckte, glitten meine Finger über eine Art Plane, einen provisorischen Schutz vor den Elementen. Ich setzte meine Kapuze auf und kroch darunter hervor.
    »Wächter?«
    Keine Spur von ihm. Oder dem Reh, oder dem Feuer.
    Die Kälte hatte mich sowieso bibbern lassen, aber nun verstärkte sich das Zittern. Wo war er hin? Er konnte doch nicht immer noch in Sheol I sein, oder? Obwohl, wir hatten Sheol I ja gar nicht verlassen, Magdalen und seine Außenanlagen gehörten schließlich zum Netzwerk der Residenzen. Und wir

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