Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
Vom Netzwerk:
kamen von überall herangeschwebt. Ich durchstreifte die taugetränkte Landschaft und suchte nach ihrer hellsten Stelle. Aus den blühenden Bäumen wirbelten Pollen auf und verfingen sich in meinen Haaren. Noch nie hatte ich mich so frei gefühlt. Es gab keinerlei Widerstand, nicht die kleinste Regung irgendeines Abwehrmechanismus ’ . Es war so schmerzlos, leicht und wunderschön, als hätte ich mit einem Mal schwere Eisenfesseln abgestreift. Es fühlte sich vollkommen natürlich an. Genau danach sehnte sich mein Geist, in fremden Gefilden umherzustreifen. Für ihn war es unerträglich, die ganze Zeit in nur einem Körper gefangen zu sein. Er war von Wanderlust gepackt.
    Als ich die Zone des Sonnenlichts erreichte, entdeckte ich ihn: einen winzigen Geist, der zartrosa zu schimmern schien. Ich spitzte die Lippen und pustete, bis er in einer dunkleren Ecke verschwand.
    Nun kam die eigentliche Aufgabe. Wenn ich das Ganze richtig verstanden hatte – und wenn Jax mit seinen Erklärungen recht behielt – , gestattete der Eintritt in die Euphotische Zone es mir, die Kontrolle über meinen neuen Körper zu übernehmen.
    Sobald ich in den Kreis trat, flammte in der gesamten Traumlandschaft helles Licht auf: Goldene Strahlen spülten über mich hinweg, erfüllten meine Augen, streichelten meine Haut und wärmten mein Blut. Sie blendeten mich. Die Welt wurde zu einem gesprungenen Diamanten, einem Spiel aus funkelnden Sternen und leuchtenden Farben.
    Eine Weile schwebte ich im Nichts. Mein Körper verschwand und nahm jede Empfindung mit sich. Und dann wachte ich auf.
    Panik erfasste mich zuerst. Wo waren meine Arme, meine Beine? Warum konnte ich nichts sehen? Moment, ich konnte doch sehen … aber … alles war in grelles Violett getaucht, nur das Gras war so grün, dass es in den Augen wehtat. Ein Krampf erfasste meine zerbrechlichen Gliedmaßen. Das hier war wie die Hirnpest, aber tausendmal schlimmer. Ich wurde erdrückt, erstickt und schrie ohne einen Mund oder eine Stimme. Und was waren das für Dinger an meinen beiden Seiten? Als ich mich bewegen wollte, zitterten sie, als würde ich mich im Todeskampf winden.
    Ehe ich einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte ich mich bereits aus dem Schmetterling hinaus und in meinen eigenen Körper zurückkatapultiert. Zitternd rang ich nach Luft. Ich glitt von dem Stein und landete auf allen vieren.
    »Paige?«
    Ich musste mich übergeben. Eine ekelhafte, saure Flüssigkeit füllte meinen Mund, aber es kam nichts raus. » N-n ie wieder«, keuchte ich.
    »Was ist passiert?«
    »Gar nichts. Es war … es war so leicht , a-a ber dann … « Ruckartig öffnete ich den Reißverschluss meiner Jacke, um besser atmen zu können. »Ich schaffe das nicht.«
    Der Wächter schwieg. Er sah zu, wie ich mir den Schweiß von der Stirn wischte und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bekommen. »Du hast es bereits geschafft«, sagte er dann. »Auch wenn es schmerzhaft war, hast du es geschafft. Er hat seine Flügel bewegt.«
    »Als ich das getan habe, hatte ich das Gefühl zu sterben .«
    »Aber du hast es geschafft.«
    Ich lehnte mich gegen den Felsen. »Wie lange habe ich durchgehalten?«
    »Vielleicht eine halbe Minute.«
    Besser als erwartet, aber immer noch jämmerlich. Jaxon hätte sich schlapp gelacht. »Tut mir leid, dich zu enttäuschen. Vielleicht bin ich einfach nicht so gut wie andere Traumwandler.«
    Sein Gesicht wurde zu Stein. »Oh, doch, das bist du. Aber wenn du selbst nicht daran glaubst, wirst du dein Potenzial niemals voll ausschöpfen.«
    Er öffnete die Hände, und der Schmetterling verschwand in der Dunkelheit. Lebendig. Ich hatte ihn nicht getötet.
    »Du bist wütend«, stellte ich fest.
    »Nein.«
    »Warum sieht es dann so aus?«
    »Wie sieht es denn aus?« Sein Blick war eisig.
    »Ach, egal.«
    Er griff nach einem Holzbündel, das an dem Felsblock lehnte. Ich sah zu, wie er mithilfe von zwei Steinen ein kleines Feuer anzündete, das er nach und nach mit den Holzstücken fütterte. Schließlich wandte ich mich ab. Sollte er doch schmollen. Es war bestimmt nicht meine Aufgabe, hier den Puppenspieler der örtlichen Tierwelt zu geben.
    »Wir werden ein paar Stunden Pause machen.« Der Wächter sah mich nicht an. »Du brauchst etwas Schlaf, bevor wir zum nächsten Teil deiner Prüfung kommen.«
    »Soll das etwa heißen, ich habe diesen Teil bestanden?«
    »Selbstverständlich. Du hast von dem Schmetterling Besitz ergriffen. Etwas anderes hatte ich nicht von dir

Weitere Kostenlose Bücher