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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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hatten uns höchstens eine Meile von dem Kältepunkt entfernt, wenn überhaupt.
    Der Wind frischte auf. Ich hockte mich wieder in meinen Unterschlupf. Es gab keinen Grund, warum er mich hätte zurücklassen sollen. Überhaupt keinen. Vielleicht hatte ich ja nur kurz geschlafen. Ich zog Socken und Stiefel an und überprüfte noch einmal meinem Schlafsack. Zu meiner Überraschung fand ich einige Ausrüstungsgegenstände: ein Paar Handschuhe, eine Spritze mit Adrenalin, eine kleine silberne Taschenlampe, die geschickt ins Futter geschoben worden war, und einen braunen Umschlag. Vorne stand mein Name drauf. Als ich die Handschrift des Wächters erkannte, riss ich ihn auf.
    Willkommen im Niemandsland. Deine Aufgabe ist einfach: Kehre in möglichst kurzer Zeit nach Sheol I zurück. Du hast weder Nahrung noch Wasser oder eine Karte. Nutze deine Gabe. Vertraue auf deine Instinkte.
    Und tu mir den Gefallen: Überlebe diese Nacht. Dir ist es sicherlich auch lieber, wenn du nicht gerettet werden musst.
    Viel Glück.
    Im ersten Moment starrte ich den Zettel nur an, dann riss ich ihn in Fetzen.
    Dem würde ich es zeigen. Und wie ich es ihm zeigen würde. Angst machen wollte er mir, aber das würde ich nicht zulassen. Die Nacht überleben? Was sollte das denn bitte heißen? Er musste mich ja für ein ziemliches Prinzesschen halten, wenn er dachte, ich würde mit ein bisschen Wind und Regen nicht klarkommen. Wenn ich in den elenden Straßen von SciLo zurechtkam, würde mir das auch in einem dunklen Wald gelingen. Und was die Nahrungsvorräte anging, wozu sollte ich die brauchen? Er hatte mich schließlich nicht mitten im Nirgendwo abgeladen. Oder?
    Als ich unter der Plane hinausspähte, entdeckte ich eine Schachtel, auf der das Symbol von ScionIde prangte, der Militärbehörde der Regierung: zwei Linien, die wie ein Galgen im rechten Winkel aufeinanderstießen, und deren vertikaler Zweig von drei weiteren Linien gekreuzt wurde. In der Schachtel lag noch ein Zettel.
    Vorsicht mit den Pfeilen. Wenn sie zerbrechen, wird die Säure einen Herzstillstand auslösen. Das Leuchtgeschoss ist für den Notfall gedacht. Dadurch wird eine Abteilung Rotjacken alarmiert.
    Geh nicht Richtung Süden.
    Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe auf den Inhalt der Schachtel: eine Waffe mit langem Lauf, eine Leuchtpistole, ein altes Zippofeuerzeug, ein Jagdmesser und drei eingeschweißte, silberne Pfeile. Die Symbole für toxische Stoffe und ätzende Flüssigkeiten waren auf deren Seite aufgedruckt, außerdem stand dort FLUORWASSERSTOFFSÄURE ( HF ).
    Eine Betäubungswaffe und eine Handvoll Säurepfeile. Warum hatte er mir nicht einfach meine Pistole gegeben? Na ja, irgendwo musste ich jedenfalls anfangen, wenn ich nicht die ganze Nacht auf dieser Lichtung verbringen wollte. Also rollte ich den Schlafsack zusammen und stopfte ihn in seine Hülle, ließ die Plane aber hängen. Sie konnte mir als Fixpunkt dienen, falls ich mich im Kreis bewegen sollte.
    Mein Lager war durch einen Kreis aus feinen, weißen Kristallen abgegrenzt. Ich ging in die Hocke, nahm mit dem Finger ein paar Körnchen auf und testete sie mit der Zungenspitze.
    Salz.
    Das Lager war in einem Salzkreis angelegt worden.
    Reglos verharrte ich. Unter Sehern gab es immer wieder Gerüchte, dass Salz Geister fernhalten könne – das nannte man dann Alomantik – , aber das stimmte nicht. Poltergeister ließen sich damit ganz sicher nicht aufhalten. Wollte er mir nur Angst machen, indem er das Zeug hier verstreute?
    Nachdem ich den Reißverschluss meiner Jacke hochgezogen und die Kapuze zurechtgerückt hatte, packte ich meine wenigen Habseligkeiten. Pfeile und Betäubungswaffe schob ich so in den Schlafsack, dass sie möglichst gut gepolstert waren, die Leuchtpistole steckte ich in den Gürtel der Jacke. Das Messer wanderte in meinen Stiefel, die Spritze in die Jackentasche. Schließlich zog ich noch die Handschuhe an.
    Ich konnte es kaum erwarten, zurückzukommen und diesem Ekel ins Gesicht zu sehen. Ich sah direkt vor mir, wie er auf die Uhr starrte und die Minuten zählte, bis ich kam. Von seinem Sessel am gemütlichen Feuer aus.
    Dem würde ich es zeigen. Mich tat man nicht einfach so ab. Ich war die Fahle Träumerin, und er würde schon noch sehen, warum ich diesen Namen verdient hatte. Warum Jax mich ausgewählt hatte: weil ich, allen Widrigkeiten zum Trotz, überlebt hatte.
    Ich schloss die Augen und versuchte, mögliche Aktivitäten im Æther zu erspüren, aber da war nichts. Keinerlei

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