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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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waren vielleicht schon auf der Suche nach mir. Sie zu Jax zu führen, kam nicht infrage. Außerdem hatte ich, solange die U-B ahn geschlossen war, keine Möglichkeit, Sektor 4 zu erreichen. Taxis gab es so gut wie keine, und die Sicherheitssysteme waren nachts zehnmal schärfer als tagsüber.
    Ich könnte bei einer Freundin übernachten, aber alle meine Freundinnen, die außerhalb von Seven Dials lebten, waren amaurotisch – Schulkameradinnen, zu denen ich kaum noch Kontakt hatte. Die würden mich für völlig durchgeknallt halten, wenn ich ihnen erzählte, dass ich von der Geheimpolizei gejagt wurde, weil ich mit meinem Geist jemanden umgebracht hatte. Außerdem würden sie mich mit Sicherheit verpfeifen.
    In einen alten Morgenmantel gehüllt, tapste ich barfuß in die Küche und setzte einen Topf mit Milch auf. Das machte ich immer, wenn ich zu Hause war, von dieser Routine sollte ich jetzt nicht abweichen. Mein Vater hatte mir extra meinen Lieblingsbecher rausgestellt, den großen mit der Aufschrift Pack das Leben am Kaffee . Ich war nie ein Fan von aromatisiertem Sauerstoff gewesen, Markenname Floxy, der von Scion gebilligten Alternative zum Alkohol. Kaffee war noch legal, da sie immer noch Untersuchungen durchführten, ob Koffein zu Hellsichtigkeit führen konnte. Aber Pack das Leben am aromatisierten Sauerstoff hatte einfach nicht denselben Klang.
    Der Einsatz meines Geistes hatte irgendetwas mit meinem Kopf angestellt. Ich schaffte es kaum, die Augen offen zu halten. Während ich die warme Milch in den Becher goss, sah ich aus dem Fenster. Mein Vater hatte einen untrüglichen Geschmack, wenn es um Inneneinrichtung ging. Wobei es sicherlich hilfreich war, dass er über genug Geld verfügte, um sich eine Wohnung mit Hochsicherheitsstandard im exklusiven Wohnviertel des Barbican Estate leisten zu können. Die Wohnung war groß, luftig und lichtdurchflutet. In den Gängen roch es nach Potpourri und sauberer Wäsche. In jedem Zimmer gab es große Fenster. Das größte davon befand sich im Wohnzimmer, eine ganze Front an der Westseite, inklusive aufwendig gestalteter Glastüren, die auf den Balkon hinausführten. Als Kind hatte ich von hier aus oft den Sonnenuntergang betrachtet.
    Draußen tobte das Leben der Zitadelle. Direkt neben unserem Wohnkomplex ragten die drei wuchtigen Türme des Barbican Estate auf, in denen die höheren Angestellten von Scion ihre Wohnungen hatten. An der Spitze des Lauderdale Tower hing der Hauptübertragungsbildschirm von I-5. Hier wurden sonntagabends die öffentlichen Hinrichtungen gezeigt. Im Moment waren nur die Insignien des Scion-Systems eingeblendet: ein rotes Symbol, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Anker hatte, und das Wort Scion in dicken schwarzen Buchstaben, alles vor klinisch weißem Hintergrund. Und dazu dieser grässliche Slogan: Sicherheit immer und überall .
    Wohl eher Sicherheit niemals und nirgendwo. Zumindest nicht für uns.
    Ich trank meine Milch und starrte das Symbol eine Weile voller Abscheu an. Dann spülte ich den Becher ab, goss mir ein Glas Wasser ein und ging in mein Zimmer. Ich musste Jaxon anrufen.
    Mein Vater fing mich im Flur ab.
    »Warte, Paige.«
    Ich blieb stehen.
    Mein Vater, dessen spärlicher werdendes flammendrotes Haar seine irische Herkunft verriet, arbeitete bei Scion in der wissenschaftlichen Forschung. Wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, kritzelte er irgendwelche Formeln auf sein Datenpad und hielt schwärmerische Vorträge über klinische Biochemie, eines seiner beiden Forschungsfelder. Wir sahen uns kein bisschen ähnlich.
    »Hi«, sagte ich schnell. »Tut mir leid, dass ich so spät komme. Ich musste Überstunden machen.«
    »Du musst dich nicht entschuldigen.« Er winkte mich ins Wohnzimmer. »Ich werde dir etwas zu essen machen. Du siehst halb verhungert aus.«
    »Mir geht es gut, ich bin nur müde.«
    »Weißt du, ich habe heute etwas über Sauerstoffumwälzung gelesen, da gab es einen schrecklichen Fall in IV -2. Schlecht bezahltes Personal, verschmutzter Sauerstoff, Kunden mit Krampfanfällen … sehr unschön.«
    »In den Bars in der Zentralparzelle ist alles in Ordnung, ehrlich. Die Kunden haben hohe Qualitätsansprüche.« Ich sah zu, wie er den Tisch deckte. »Wie läuft’s in der Arbeit?«
    »Gut.« Er blickte hoch. »Was deinen Job in der Bar angeht, Paige … «
    »Was ist damit?«
    Eine Tochter, die in den niedrigsten Schichten der Zitadelle arbeitete. Für einen Mann in seiner Position gab es kaum etwas

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