Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
Vom Netzwerk:
drückte die Stirn gegen die Scheibe. Auch das war nicht wahr: Hector tat so etwas. Und Jax auch. Jeder Denkerfürst, jede Denkerkönigin der Zitadelle tat so etwas. Bei ihnen wurden auch nur jene belohnt, die sich als nützlich erwiesen. Alle anderen wurden rausgeworfen und ihrem Schicksal überlassen.
    Aber die Gang war wie eine Familie für mich. In der Zitadelle musste ich mich vor niemandem verneigen. Ich war die Ganovenbraut von I-4. Ich hatte einen Namen.
    Es dauerte nicht lange, dann erreichten wir Marylebone. Als der Wächter die Zitadelle aufmerksam wie fremdes Territorium musterte, fragte ich mich, ob er überhaupt schon einmal in London gewesen war. Aber das musste er doch, wenn er früheren Inquisitoren begegnet war. Der Gedanke, dass Rephs zeitgleich mit mir auf diesen Straßen unterwegs gewesen sein könnten, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Sie waren im Archonitat gewesen. Sogar in I-4.
    Unser Fahrer war ein stiller, breit gebauter Mann. Er trug eine Brille mit Drahtgestell und einen Anzug, dessen rotes Seideneinstecktuch genau auf die gleichfarbige Krawatte abgestimmt war. Außerdem hatte er ein kabelloses Headset im linken Ohr, das ab und zu leise piepte. Mit der Faszination des Grauens erkannte ich, wie penibel es durchorganisiert war. Scion hatte an alles gedacht: Niemand würde etwas über Sheol I herausfinden. Die gesamte Stadt war vollkommen unter ihrer Kontrolle.
    Der Wächter signalisierte dem Fahrer, an einer Straßenecke anzuhalten. Der Mann nickte und stieg aus. Als er zurückkam, hatte er eine große Papiertüte dabei. Der Wächter reichte sie mir durch die Klappe. »Weck ihn auf.« Mit dem Kinn deutete er auf Carl, der schon wieder eingenickt war.
    In der Tüte fand ich zwei heiße Schachteln von Brekkabox, dem angesagtesten Fast-Food-Laden der Zitadelle. Ich versetzte Carl einen leichten Stoß. »Aufwachen, Schlafmütze.«
    Mit einem heftigen Zucken kam er zu sich. Ich klappte inzwischen meine Schachtel auf und fand darin einen Frühstückswrap, eine Serviette und eine Schale mit Porridge. Im Rückspiegel fing ich den Blick des Wächters ein, und er nickte mir kaum merklich zu. Ich wandte mich ab.
    Das Auto erreichte Sektor 4. Meinen Sektor. Ein leichtes Kribbeln auf der Kopfhaut zeigte an, dass ich ins Schwitzen geriet. Mein Vater lebte nur zwanzig Minuten von hier entfernt, und wir näherten uns Seven Dials – wir kamen ihnen viel zu nah. Fast rechnete ich damit, etwas von Nick aufzufangen, aber im Æther herrschte völlige Stille. Hunderte von Traumlandschaften glitten an meiner vorbei und lenkten mich von der stofflichen Welt ab. Als ich mich auf die wenigen in meinem direkten Umfeld konzentrierte, fiel mir absolut nichts Ungewöhnliches auf, keinerlei frische Emotionen. Diese Leute hatten keine Ahnung, dass die Rephaim existierten oder dass es eine Strafkolonie gab. Ihnen war egal, wohin die Widernatürlichen verschwanden, solange sie nur fort waren.
    Unser Wagen hielt in der Strand, wo bereits eine Wache auf uns wartete. Er sah aus wie alle anderen, die auf Streife geschickt wurden: groß, breitschultrig, normalerweise Medien. Ich wich dem Blick des Mannes aus, sprang auf die Straße und ließ meinen leeren Fresskarton unter dem Sitz liegen.
    Der Wächter, riesig und imposant wie er war, kannte natürlich keine Nervosität. »Guten Abend, Wachmann.«
    »Wächter.« Die Wache legte drei Finger an die Stirn, einen in der Mitte und je einen über beide Augen, dann salutierte er. Das war ein offizielles Zeichen der Seher, er deutete damit sein drittes Auge an. »Kann ich bestätigen, dass sich Carl Dempsey-Brown und Paige Mahoney in deinem Gewahrsam befinden?«
    »Bestätigt.«
    »Identifikationsnummern?«
    » XX -59–1 und –40.«
    Der Wachmann notierte sie sich. Was ihn wohl dazu gebracht hatte, sich von seinesgleichen abzuwenden? Vielleicht ein grausamer Denkerfürst.
    »Ihr beiden solltet nicht vergessen, dass ihr euch in Gewahrsam befindet. Ihr seid hier, um die Rephaim zu unterstützen. Wenn diese Mission erfüllt ist, werdet ihr ohne Umwege nach Sheol I zurückgeschickt. Falls einer von euch versucht, die Lage von Sheol I preiszugeben, wird er erschossen. Falls einer von euch versucht, Kontakt mit der Bevölkerung aufzunehmen oder auch mit einem Mitglied des Syndikats, wird er erschossen. Falls einer von euch versucht, euren Hüter oder eine Wache zu verletzen, wird er erschossen. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
    Sicher, er hatte unmissverständlich

Weitere Kostenlose Bücher