The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Bewegungen waren, dass er ihr nie in die Augen sah, wie sie, ohne ihm ins Gesicht zu blicken, mit den Fingern durch seine Haare fuhr. Es erinnerte stark an einen Hund und seine Herrin.
»Es freut mich, dass ihr es geschafft habt, euch uns anzuschließen«, sagte sie schließlich. Als hätten wir eine Wahl gehabt. »40, das ist Situla Mesarthim.«
Situla war fast so groß wie der Wächter. Die Familienähnlichkeit war nicht zu übersehen: das gleiche hellbraune Haar, die gleiche honigfarbene Haut, die gleichen ausgeprägten Gesichtszüge und tief liegenden Augen. Sie begrüßte den Wächter, der immer noch kniete, mit einem Nicken.
»Cousin.« Der Wächter neigte den Kopf. Dann richtete sich Situlas Blick auf mich. » XX -59–40, heute Nacht wirst du mich behandeln wie einen zweiten Hüter. Ich hoffe, das war deutlich genug.«
Ich nickte. Der Wächter erhob sich und blickte auf seine Gefährtin hinab. »Wo sind die anderen Menschen?«
»Sie bereiten sich vor, was sonst?« Sie drehte ihm den Rücken zu. »Und du solltest dasselbe tun, mein Getreuer.«
Seine Aura verfinsterte sich, als braue sich in seiner Traumlandschaft ein Sturm zusammen. Er wandte sich ab und ging zu den schweren roten Vorhängen hinüber. Eilig folgte ihm eine kleine Amaurotikerin, die ein Kleiderbündel an die Brust drückte.
»Du bildest ein Team mit 1«, sagte Nashira zu mir. »Ihr geht mit Arcturus. Situla übernimmt 30 und 12.«
Hinter den Vorhängen trat David hervor. Er trug schwarze Hosen, Stiefel und eine leichte Schutzweste. Sein Anblick jagte mir kurz einen Schrecken ein. Er sah genauso aus wie der Oberaufseher in jener Nacht, als er auf mich geschossen hatte.
»Guten Abend, 40«, begrüßte er mich.
Ich sagte nichts. Lächelnd schüttelte David den Kopf, als wäre ich nichts als ein amüsantes Kleinkind. Ein Amaurotiker kam auf mich zu. »Deine Kleidung.«
»Danke.«
Ohne David eines Blickes zu würdigen, trug ich das Bündel zu den Vorhängen hinüber. Dahinter befand sich ein Zelt, eine Art Umkleidekabine. Ich legte die eine Uniform ab und zog die neue an: erst ein langärmliges rotes Hemd, dann die Schutzweste – die genau wie unsere Westen mit einem roten Anker verziert war – und die schwarze Jacke mit dem roten Streifen am Ärmel. Anschließend fingerlose Handschuhe und Hose, beides aus einem dehnbaren, schwarzen Stoff, und schwere Stiefeln. In diesen Sachen konnte ich rennen, klettern und kämpfen. In der Jacke steckte eine Adrenalinspritze … und eine Fluxpistole. Für die Jagd auf Seher.
Sobald ich fertig ausgestattet war, kehrte ich zu den anderen zurück. Inzwischen hatten sich alle drei Menschen eingefunden. Carl begrüßte mich mit einem Lächeln.
»Hallo, 40.«
»Carl.«
»Wie gefällt dir deine neue Tunika?«
»Sie sitzt gut, falls du das meinst.«
»Nein, ich meine, wie findest du es, eine Rotjacke zu sein?«
Jetzt starrten sie mich alle drei fragend an. »Großartig«, sagte ich nach kurzem Zögern.
Carl nickte. »Es ist großartig. Vielleicht haben sie dir ja zu Recht so viele Privilegien eingeräumt.«
»Oder auch nicht«, konterte 30 und zog sich die dicken Haare aus dem Kragen. Sie war größer als ich, hatte breitere Hüften und Schultern. »Das werden wir erst auf der Straße herausfinden.«
Ich sah mir 30 genauer an. Ihre Aura verriet mir, dass sie wahrscheinlich eine Wahrsagerin war – allerdings von einem nicht ganz so weit verbreiteten Typus, vielleicht eine Art Losorakel. Aber auch nicht wirklich selten. Sie musste sich durch Ellbogeneinsatz nach oben gekämpft haben.
»Ja, das werden wir«, sagte ich nur.
Sie rümpfte abfällig die Nase.
Als der Wächter zu uns zurückkehrte, änderte sich 30s Verhalten schlagartig. Sie sank in einen grazilen Knicks und murmelte ehrfürchtig »Blutsgefährte«. Carl, der neben ihr stand, verbeugte sich hastig. Ich blieb mit verschränkten Armen stehen. Der Wächter musterte seinen Fanklub flüchtig, reagierte aber auf keine ihrer Ehrbezeugungen. Stattdessen wanderte sein Blick durch den Raum – und verharrte auf mir. 30 wirkte verärgert. Arme, alte 30.
Der Kleidungswechsel hatte meinen Hüter komplett verändert. Statt der altmodischen Rephaitrobe trug er nun das Outfit eines wohlhabenden Bürgers von Scion, einer aus der Kategorie, bei dem ein cleverer Dieb gar nicht erst etwas versuchen würde.
»Man wird euch in zwei Transportern in Parzelle I bringen«, erklärte Nashira. »Die Straßen werden für euch gesperrt. Es wird erwartet, dass
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