The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
Studenten in Carrickfergus ein. Er wurde zum Tod durch den Strang verurteilt.«
»Und wurde er gehängt?«
»Ich … mit den Details bin ich nicht vertraut, aber … «
In mir regte sich etwas Dunkles, Brutales. Ich beugte mich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Wenn mein Cousin hingerichtet wurde, Mr Bell, werde ich Sie persönlich dafür verantwortlich machen. Ihre Regierung war schuld daran, dass Irland gefallen ist. Ihre Regierung, die einfach aufgegeben hat.«
»Aber doch nicht ich«, keuchte Bell. Aus seiner Nase lief Blut. »Tu mir nichts … «
»Nicht Sie, Mr Bell. Aber Ihresgleichen.«
»Widernatürlich«, zischte er mühsam. »Geh weg.« Ich verschmolz mit der Menge und überließ ihn dem Versuch, die Blutung zu stoppen.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich zitterte. Ich griff mir ein Glas Mecks von einem Tablett und leerte es in einem Zug. Bisher hatte ich immer geglaubt, Finn wäre längst tot, obwohl ein kleiner Teil von mir sich an die Erinnerung klammerte, an die Vorstellung, dass er noch leben könnte. Was vielleicht auch so war, aber von Cathal Bell würde ich das sicher nicht erfahren.
Da entdeckte ich Nashira, sie stand direkt unterhalb des Podiums. Neben ihr war der Wächter, in ein Gespräch mit der Abgesandten aus Griechenland vertieft. Nach der Nachtglocke hatte er sein erstes Amaranth seit Monaten erhalten, ein paar Tropfen hatten ihn vollständig verwandelt. Er trug Schwarz und Gold, mit Hyazinthsteinen an seinem Hals, und seine Augen leuchteten wie Lampen. Die Leute in ihrer Nähe erkannte ich ebenfalls: Nashiras Elitegarde. Eine ihrer Wachen, ein Ersatz für Amelia, entdeckte mich, und an ihrer Lippenbewegung erkannte ich, dass sie es ihrer Chefin meldete.
Nashira blickte über die Köpfe ihrer Wachen hinweg. Ein leises Lachen drang zu mir herüber. Als der Wächter es hörte, drehte er sich um. Sofort flammte Hitze in seinen Augen auf.
Nashira winkte mich zu sich. Ich reichte einem Amaurotiker mein leeres Glas und ging zu ihr hinüber.
»Ladys und Gentlemen«, wandte sie sich an die Gruppe, in der sie stand, »darf ich Ihnen XX -59–40 vorstellen? Sie ist eine unserer begabtesten Seherinnen.«
Die Delegierten murmelten leise, manche fasziniert, andere angewidert.
»Das hier ist Aloys Mynatt, der Großreferent von Frankreich. Und Birgitta Tjäder, Chefin der Wache in der Scion-Zitadelle Stockholm.« Mynatt war ein kleiner Mann, hielt sich krampfhaft gerade und hatte ein nichtssagendes Gesicht. Er nickte mir zu.
Tjäder hingegen starrte mich nur an. Sie war Mitte dreißig, hatte dickes blondes Haar und Augen, deren Farbe an Olivenöl erinnerte. Nick hatte diese Frau immer nur die Elster genannt – ihre Terrorherrschaft in Stockholm war berüchtigt. Es war deutlich zu spüren, dass sie meine Anwesenheit unerträglich fand: Die blassen Lippen spannten sich über ihre Zähne, als wollte sie gleich zubeißen. Ich genoss ihre Gesellschaft auch nicht sonderlich.
»Ich will sie nicht in meiner Nähe haben«, zischte Tjäder, und bestätigte damit meine Einschätzung.
»Aber ist es Ihnen nicht lieber, sie sind hier bei uns als dort draußen auf Ihren Straßen?«, fragte Nashira. »Hier können sie keinen Schaden anrichten, Birgitta. Das lassen wir nicht zu. Sobald Sheol III eingerichtet ist, werden Sie nie wieder den Anblick eines Sehers ertragen müssen.«
Eine dritte Strafkolonie? Hatten sie etwa auch Pläne für Stockholm? Ich wollte mir nicht einmal vorstellen, wie Sheol III wohl aussehen würde, wenn die Elster als Vermittlerin fungierte.
Tjäder ließ mich nicht aus den Augen. Sie hatte zwar keine Aura, aber ihre Abscheu ließ sich klar an ihrem Gesicht ablesen.
»Ich kann es kaum erwarten«, sagte sie.
Das Klavier verstummte, und es wurde verhalten applaudiert. Die tanzenden Paare trennten sich wieder. Nashira hob den Blick zu einer großen Wanduhr. »Die Stunde rückt näher.«
Ihre Stimme klang erstaunlich sanft. »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte Tjäder knapp, wandte sich ab und marschierte zu den anderen Schweden zurück, sodass der Platz zwischen dem Wächter und mir frei wurde. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen.
»Es wird Zeit für meine Ansprache an die Gesandten.« Nashira musterte die Bühne. »Du bleibst bei 40, Arcturus. Ihre Anwesenheit wird bald erforderlich sein.«
Dann plante sie also doch, mich in aller Öffentlichkeit umzubringen. Der Wächter neigte den Kopf. »Jawohl, meine Herrscherin.« Er griff ruppig nach meinem Arm. »Komm, 40.«
Bevor
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