The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)
wunderschöne Form aus acht Blättern, feucht mit Blütennektar. Es war die Blume, die vor Kurzem noch tot gewesen war. »Es kann keine Gnade geben«, sagte Nashira. »Dafür nicht.«
Einen Augenblick musterte der Wächter die Blume, sein Blick schimmerte. Dann sah er Nashira an.
Sie ließ die Glasglocke fallen. Das laute Krachen der splitternden Scherben riss mich aus meiner Erstarrung.
Nun hatte ich alles kaputt gemacht.
»Arcturus Mesarthim, du bist mein Blutsgefährte. Du bist der Wächter der Mesarthim. Doch so etwas darf nie wieder geschehen.« Nashira kam auf uns zu. »Es gibt nur einen Weg, solche Arglist aufzuhalten, und zwar, indem man an den Verrätern ein Exempel statuiert. Ich werde deinen toten Körper an den Mauern dieser Stadt aufhängen.«
Der Wächter rührte sich nicht. »Immer noch besser, als wenn du ihn zu deinem Vergnügen missbrauchst.«
»Stets der Furchtlose. Oder der Narr.« Ihre Fingerspitzen glitten über sein Gesicht. »Ich werde dafür sorgen, dass all deine alten Gefährten vernichtet werden.«
»Nein.« Entschlossen trat ich hinter seinem Rücken hervor. »Du kannst nicht … «
Mir blieb nicht einmal genug Zeit, um auszuweichen. Ihr Schlag war so heftig, dass er mich von den Füßen riss. Ich schlug mit dem Kopf gegen die Kante einer Kiste und zog mir dabei eine Platzwunde über dem Auge zu. Bei dem Versuch, mich abzufangen, griff ich in die Scherben der Glasglocke. Ich hörte, wie der Wächter wütend meinen Namen rief – doch dann tauchten Thuban und Situla auf, ihre treuen Diener, und hielten ihn fest. Thuban rammte ihm den Griff seines Messers gegen den Schädel, doch der Wächter blieb eisern stehen. Diesmal würde er nicht vor den Sargas auf die Knie fallen.
»Mit deinen Vergehen beschäftige ich mich später, Arcturus. Vorerst entziehe ich dir nur den Status des Blutsgefährten.« Nashira trat ein paar Schritte zurück. »Thuban, Situla, bringt ihn auf die Galerie.«
»Jawohl, meine Herrscherin«, nickte Thuban und packte den Wächter an der Kehle. »Zeit, dass du bezahlst, Fleischverräter.«
Situla grub ihre Finger in seine Schulter. Offenbar schämte sie sich für ihren verräterischen Cousin. Der sagte kein Wort.
Nein, nicht! So durfte es nicht enden, nicht wie damals in der XVIII . Knochenernte. Er war nicht mehr der Blutsgefährte. Er war ruiniert. Ich selbst hatte den letzten Hoffnungsschimmer vernichtet. Verzweifelt suchte ich seinen Blick, ich brauchte Hoffnung, Rettung – doch das Licht in seinen Augen war erloschen, und alles, was ich von ihm erfühlen konnte, war Schweigen. Dann zerrten Thuban und Situla ihn fort.
Ohne auf die Scherben zu achten, kam Nashira auf mich zu. Ich blieb einfach auf dem Boden liegen, zwischen den Splittern. Brennende Hitze stieg mir in die Augen. Ich war so ein Idiot. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Was hatte ich getan ?
»Deine Zeit ist gekommen, Traumwandlerin.«
»Endlich.« Aus der Wunde an meiner Stirn tropfte Blut. »Du hast ja auch lange genug gewartet.«
»Du solltest dich freuen. Soweit ich das verstanden habe, verzehren sich Traumwandler nach dem Æther. Heute Nacht kannst du dich mit ihm vereinen.«
»Du wirst diese Welt niemals beherrschen.« Jetzt sah ich doch zu ihr hoch, und ich zitterte am ganzen Körpe r – vor Wut, nicht vor Angst. »Du kannst mich töten. Du kannst mich an dich ketten. Aber uns wirst du niemals für dich beanspruchen. Die Sieben Siegel warten bereits. Jaxon Hall wartet. Das gesamte Syndikat wartet auf dich.« Trotzig reckte ich das Kinn vor und sah ihr in die Augen. »Viel Glück.«
Nashira packte meine Haare und zerrte mich auf die Füße. Dann brachte sie ihr Gesicht ganz dicht vor meines. »Du hättest so viel mehr sein können«, flüsterte sie. »So unendlich viel mehr. Aber nun wirst du bald nichts mehr sein. Alles, was du einmal warst, wird mir gehören.« Ohne große Anstrengung stieß sie mich fort, sodass ich im eisernen Griff eines Rephait landete. »Alsafi, bring dieses Klappergestell auf die Bühne. Es wird Zeit, dass sie mir ihren Geist unterwirft.«
*
Mir blieb keine Zeit zum Nachdenken, während Alsafi mich die Stufen hinaufschob. Sie hatten mir einen Sack über den Kopf gestülpt. Meine Lippen schmerzten und meine Wangen brannten. Ich konnte weder richtig atmen noch einen vernünftigen Gedanken fassen.
Der Wächter war fort. Ich hatte ihn verloren. Mein einziger Verbündeter unter den Rephaim, und ich hatte zugelassen, dass sie ihn erwischten. Nashira würde
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