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The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

The Bone Season - Die Träumerin (German Edition)

Titel: The Bone Season - Die Träumerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samantha Shannon
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mich ebenso eine Missgeburt wie ein Wechselbalg.« Lauter Jubel. Sie war ein Bollwerk des Guten, der letzte unbefleckte Monarch vor der großen Seuche. Während die Abgesandten bezaubert der Schauspielerin lauschten, behielt ich aufmerksam die Uhr im Auge. Nun war schon fast eine halbe Stunde vergangen, und ich wusste immer noch nicht, wann der Zug abfahren würde.
    Es folgte der Dreh- und Angelpunkt des Stückes, die Séance. Rote Laternen wurden auf die Bühne gebracht. Als ich wieder hinsah, musste ich mir das Lachen verkneifen. Der Oberaufseher steigerte sich inzwischen richtig in seine Rolle hinein. »Weltliche Macht ist nicht genug«, verkündete er fast keuchend vor Boshaftigkeit. Der Séancetisch war aufgebaut worden, und er fuchtelte wild mit den Armen darüber herum. »Das viktorianische Zeitalter, sagen die Leute? Aber wann wird das edwardianische Zeitalter kommen? Welcher König könnte zu wahrer Größe aufsteigen, solange er durch die Fesseln der Sterblichkeit behindert wird?« Er beugte sich über die Tischplatte und rüttelte daran. »Ja, erhebt euch. Erhebt euch aus den Schatten. Erhebt euch durch das Portal, ihr Geister der Toten. Schlüpft in mich hinein, meine Anhänger! Kommt und mehret euch im wahren Blute Englands!«
    Während seines Monologs trugen ganz in Schwarz gekleidete Schauspieler die roten Laternen von der Bühne, sodass es aussah, als würden sie sich von selbst bewegen. Sie sollten die widernatürlichen Geister darstellen. Eilig verteilten sie sich überall im Saal und griffen nach den Menschen im Publikum, die erschrocken aufschrien. Dies war die Epidemie, die Seuche der Widernatürlichkeit.
    Die Musik und das Gelächter der Schauspieler waren viel zu laut. Mir wurde schwindelig. Der Oberaufseher brüllte irgendwelche Beschwörungsformeln. Mitten in dem Chaos und der Dunkelheit packte mich der Wächter am Arm. »Schnell.« Seine Stimme dröhnte in meinen Ohren. »Komm mit.«
    *
    Er führte mich in einen kleinen, finsteren Raum unter der Bühne, in dem überall Holzkisten aufgestapelt waren. Es gab keinerlei Licht außer den dünnen Strahlen, die durch die Bühnenbretter fielen, und die waren rot wie die Laternen. An der einen Wand hingen dichte Samtvorhänge, die uns vor dem großen Saal abschirmten. In diesem dunklen Loch war es nicht leicht, mir vorzustellen, was mich gleich dort oben erwartete.
    Hier unten war es ruhiger. Obwohl die Akrobaten über uns tanzten, wurde das Geräusch von den dicken Brettern gedämpft. Der Wächter drehte sich zu mir um.
    »Du wirst in der letzten Szene auftreten. Im großen Finale.« Seine Augen schienen zu glühen. »Ich habe gehört, wie sie mit Gomeisa darüber gesprochen hat.«
    Meine Haut begann zu kribbeln. »Wir wussten, dass das kommen würde.«
    »Ja.«
    Von Anfang an hatte ich gewusst, dass Nashira mich töten würde, aber es aus seinem Mund zu hören, machte es plötzlich viel realer. Ein Teil von mir hatte gehofft, sie würde noch warten … Ein paar Tage nur, damit ich eine Chance bekam, mit den anderen in die Bahn zu steigen und zu verschwinden. Aber Nashira war grausam. Natürlich wollte sie es in aller Öffentlichkeit tun, vor den Augen der Scion-Abgesandten. Sie würde nicht das Risiko eingehen, mich am Leben zu lassen.
    Das Leuchten seiner Augen schien die Dunkelheit nur weiter zu verstärken. Der Ausdruck in ihnen hatte sich verändert: Nun schwang etwas Ungezähmtes, Explosives darin mit.
    Meine Beine begannen zu zittern und in meinem Bauch breitete sich Kälte aus. Langsam ließ ich mich auf eine Kiste sinken. »Ich kann nicht gegen sie kämpfen«, stieß ich unsicher hervor. »Ihre Engel … «
    »Nein, Paige, denk nach. Seit Monaten hat sie ungeduldig darauf gewartet, dass du lernst, von einem anderen Körper Besitz zu ergreifen. Solange sich diese Fähigkeit bei dir nicht zeigen wollte, bestand die Gefahr, dass sie sich diese Gabe bei dir nicht holen könnte. Sie hat dich zur Gelbjacke gemacht, damit nicht mehr das Risiko bestand, dass dein Leben von einem Emit beendet werden könnte. Sie hat dich dem Schutz ihres eigenen Gefährten unterstellt. Warum sollte sie sich solche Mühe geben, dich am Leben zu erhalten, wenn in dir nicht eine Gabe schlummern würde, die sie nicht nur begehrt, sondern auch fürchtet?«
    »Du hast mir doch erst beigebracht, wie das alles geht, bei unserem Training draußen auf dem Gelände: der Schmetterling, das Reh, die Übungen mit meinem Geist. Du hast mich zu meinem Tod geführt.«
    »Sie hatte

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