The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
in solchen Momenten denke ich immer an das, was ein kleines Mädchen mal zu mir gesagt hat. Eine total selbstbewusste kleine Person, dabei so hässlich, dass sie schon wieder niedlich war. Und man merkte ihr an, dass sie das auch wusste.
»Carrie?«, fragte sie. »Was, wenn ich auf einem anderen Stern eine Prinzessin wäre und niemand auf der Erde wüsste es?«
Die Frage haut mich jetzt noch um. Und ist sie nicht irgendwie auch berechtigt? Egal wer wir sind – woanders könnten wir eine Prinzessin sein. Oder eine Schriftstellerin. Oder Forscherin. Oder Präsidentin. Oder was immer wir sein wollen, von dem andere uns einreden, es sei unmöglich.
Das Sexualleben der Intelligenzbestien
»Wer kann mir den Unterschied zwischen Integral- und Diferenzialrechnung erklären?«
Andrew Zion hebt die Hand. »Ich glaube, bei der Integralrechnung geht es um die Berechnung einer Fläche und bei der Diferenzialrechnung um die Berechnung von Variablen.«
»Das ist schon mal nicht schlecht«, sagt Mr Douglas, unser Mathelehrer. »Kann das jemand noch etwas genauer ausführen?«
Mouse meldet sich. »Bei der Diferenzialrechnung geht es um die Berechnung lokaler Veränderungen von Funktionen. Man setzt in eine Funktion eine Variable x ein und berechnet damit die abhängige Variable y. Dann untersucht man, wie sich die Variable y ändert, wenn man bei x Veränderungen vornimmt. Bei der Integralrechnung geht es, wie Andrew schon gesagt hat, um Flächenberechnung, genauer gesagt, um die Berechnung der Fläche unter einer Kurve. Das Integral einer reellen Funktion einer Variablen wird im zweidimensionalen Koordinatensystem als die Flächenbilanz zwischen dem Graphen der Funktion und der x-Achse gedeutet, bei Funktionen mehrerer Veränderlicher entspricht es einem Volumen.«
Unglaublich, denke ich. Woher weiß Mouse so was?
Mir ist jetzt schon klar, dass ich diesen Kurs nie im Leben schafen werde. Dabei ist mir Mathe bisher immer total leichtgefallen. Ich musste mich nie großartig anstrengen, um gute Noten zu schreiben, meistens hat es gereicht, die Hausaufgaben zu machen. Aber diesmal werde ich mich richtig ins Zeug legen müssen, wenn ich nicht untergehen will.
Ich zerbreche mir gerade den Kopf darüber, ob es nicht irgendwie möglich ist, noch in einen anderen Kurs zu wechseln, als es an der Tür klopft. Sebastian Kydd kommt herein. Er trägt ein ausgeleiertes marineblaues Polohemd, hat haselnussbraune Augen mit dichten, langen Wimpern, und seine dunkelblonden, sanft gewellten Haare sind vom Meerwasser und von der Sonne gebleicht. Das Einzige, was ihn davor bewahrt, zu hübsch zu sein, ist die leicht schief stehende Nase, die aussieht, als wäre sie ihm bei einer Prügelei gebrochen worden und er hätte sie sich nie richten lassen.
»Ah, Mr Kydd. Ich habe mich schon gefragt, wann Sie uns wohl mit Ihrer Anwesenheit beehren«, sagt Mr Douglas.
Sebastian sieht ihn völlig unbeeindruckt an. »Ich musste vorher erst noch ein paar andere Dinge erledigen.«
Ich vergrabe mein Gesicht in der Hand und mustere ihn verstohlen zwischen den gespreizten Fingern hindurch. Hier haben wir jemanden, der tatsächlich von einem anderen Stern kommt – einem Stern, auf dem alle unfassbar schön sind und wahnsinnig tolle Haare haben.
»Setzen Sie sich bitte.«
Sebastian sieht sich im Klassenzimmer um, sein Blick bleibt an mir hängen, verharrt einen Moment lang auf meinen weißen Go-go-Girl-Stiefeln und wandert dann langsam über meinen
hellblau karierten Rock und den ärmellosen Rollkragenpulli zu meinem mittlerweile feuerroten Gesicht hinauf. Sein rechter Mundwinkel zuckt amüsiert, kurz huscht so etwas wie Verwirrung über sein Gesicht, dann wird sein Blick wieder gleichgültig. Er setzt sich in die letzte Reihe.
»Carrie«, sagt Mr Douglas. »Können Sie mir bitte die Formel für die quadratische Gleichung nennen?«
Die haben wir zum Glück letztes Jahr durchgenommen. Ich rattere sie herunter: »ax 2 + bx + c = 0. «
»Sehr gut«, sagt Mr Douglas. Er schreibt eine andere Gleichung an die Tafel, tritt einen Schritt zurück und sieht Sebastian an.
Ich halte die Luft an.
»Sebastian?«, fragt er. »Können Sie mir sagen, um welche Gleichung es sich hier handelt?«
Jetzt hält mich nichts mehr. Ich drehe mich um und starre ihn unverhohlen an.
Sebastian lehnt sich zurück und trommelt mit dem Stift auf sein Mathebuch. Sein Lächeln wirkt angespannt. Entweder, weil er die Antwort nicht weiß, oder aber, weil er sie weiß und es nicht
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