The Carrie Diaries - Carries Leben vor Sex and the City - Band 1
nicht heiraten. Die Ehe ist nichts weiter als eine legalisierte Form der Prostitution.«
»Ach, so ist das.« Mrs Kydd lachte, und Sebastian, der eigentlich nur kurz stehen geblieben war, um sich zu verabschieden, sagte: »Okay, ich bin dann mal weg.«
»Jetzt schon, Sebastian?«, fragte Mrs Kydd ungehalten. »Die Bradshaws sind doch gerade erst gekommen.«
Sebastian zuckte mit den Achseln. »Ich bin aber mit Bobby zum Schlagzeugspielen verabredet.«
Ich schaute ihm mit ofenem Mund hinterher. Mary Gordon Howard war eindeutig noch nie einem Sebastian Kydd begegnet.
Es war Liebe auf den ersten Blick.
In der Aula setze ich mich auf meinen Platz neben Tommy Brewster, der gerade dem Typen vor ihm mit seinem Ringbuch eins überzieht. Zwischen den Stuhlreihen steht ein Mädchen, das laut in die Runde fragt, ob jemand einen Tampon dabei hat, während sich zwei andere Mädchen hinter mir aufgeregt flüsternd über Sebastian Kydd unterhalten, der mit jeder Erwähnung seines Namens berühmt-berüchtigter zu werden scheint.
»Er soll sogar im Gefängnis gesessen haben …«
»Und seine Eltern haben ihr ganzes Vermögen verloren …«
»Er ist noch mit keinem Mädchen länger als drei Wochen zusammengeblieben …«
Ich verdränge Sebastian Kydd aus meinen Gedanken, indem ich mir vorstelle, dass Cynthia Viande kein Mädchen ist, sondern ein Exemplar einer bizarren Vogelart. Lebensraum: jede Bühne, die sich ihr bietet. Federkleid: Tweedrock, weiße Bluse, Kaschmirpulli, vernünftiges Schuhwerk und eine Perlenkette, die höchstwahrscheinlich echt ist. Sie sitzt auf der Bühne neben den Lehrern, blättert in ihren Unterlagen herum und streicht ihren Rock glatt, was darauf schließen lässt, dass sie ein bisschen nervös ist. Ich wäre es jedenfalls. Ich könnte gar nichts
dagegen tun. Meine Hände würden zittern und meine Stimme wäre ganz klein und piepsig, und hinterher würde ich mich dafür hassen, so unsicher gewesen zu sein.
Unser Schulleiter Mr Jordan tritt ans Mikrofon und hält einen einschläfernden Vortrag, in dem es unter anderem darum geht, dass wir pünktlich zum Unterricht zu erscheinen haben und uns auch sonst kein Fehlverhalten leisten dürfen. Anschließend informiert uns Ms Smidgens darüber, dass die Schülerzeitung The Nutmeg noch Mitarbeiter sucht, und kündigt die Titelstory der aktuellen Ausgabe an – irgendeine bahnbrechende Bekanntmachung zum Thema Cafeteria-Essen.
Und dann übernimmt Cynthia das Mikro. »Das vor uns liegende Jahr ist für uns Schüler des Abschlussjahrgangs das wichtigste unseres Lebens. Vor uns tut sich ein Abgrund ins Ungewisse auf. In neun Monaten wird sich unser Leben unwiderruflich ändern«, sagt sie so bedeutungsschwanger, als würde sie sich für Franklin D. Roosevelt oder so jemanden halten.
Ich rechne fast damit, dass gleich noch so etwas kommt wie: »Und das Einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst«, aber stattdessen fährt sie fort: »In diesem Jahr gilt es deshalb, unvergessliche Momente zu schafen – Momente, die sich für immer in unsere Erinnerung einbrennen.«
Cynthia runzelt gereizt die Stirn, als sich plötzlich alle zur Tür umdrehen. Donna LaDonna kommt wie eine Braut den Mittelgang entlanggeschwebt. Sie trägt ein weißes Kleid mit tiefem V-Ausschnitt, zwischen ihren riesigen Brüsten funkelt an einer Kette ein mit Brillanten besetztes Kreuz. Ihre Haut schimmert wie Alabaster und jede ihrer Bewegungen wird vom silberhellen Klingeln der Armbänder an ihrem linken Handgelenk begleitet. Andächtige Stille breitet sich aus.
Cynthia beugt sich zum Mikro. »Hallo, Donna. Schön, dass du’s auch noch geschafft hast.«
»Ich freu mich auch«, sagt Donna und setzt sich.
Alle lachen.
Donna nickt Cynthia zu und hebt kurz die Hand, wie um ihr die Erlaubnis zu erteilen weiterzumachen. Die beiden sind zwar in der gleichen Clique und deswegen so etwas wie Freundinnen – das heißt aber noch lange nicht, dass sie sich wirklich mögen.
»Wie eben schon gesagt …«, versucht Cynthia, die Aufmerksamkeit ihres Publikums zurückzugewinnen, »… geht es in diesem Jahr um unvergessliche Momente, die sich für immer in unsere Erinnerung einbrennen.« Sie gibt dem Schüler an der Anlage ein Zeichen und »The Way We Were« schallt aus den Lautsprechern.
Ich vergrabe stöhnend das Gesicht in meinem Ringbuch, dann breche ich wie alle anderen in Kichern aus, bis mir wieder der Brief einfällt und meine Stimmung erneut in den Keller sackt.
Aber
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