The Cocka Hola Company: Roman
und darum weiß ich, dass kein Mensch auf Gottes weiter Erde dich mit dem Star aus LIPSTICK verwechseln wird. Die Adventsfeier ist überhaupt kein Problem. Außerdem ist Fräulein Færøy verschwunden, hast du das nicht in der Zeitung gelesen? Du kommst mit zu der verfickten Adventsfeier, und fertig!
Simpel lächelt, so wie immer, wenn er seinen Willen gekriegt hat, er lächelt, schon bevor Casco nachgegeben hat. Dann tippt er auf seine Armbanduhr und sie gehen in den FILMPALAST.
Trotz ansonsten starken Publikumsandrangs im Kino findet nur eine erbärmlich kleine Zahl von Zuschauern den Weg in Kino 9, wo KENDALL läuft. Auch ist dieses Kino nicht eben groß, nur 12–15 Reihen. Simpel erläutert Casco, was Casco längst weiß, dass er nämlich immer den Kopf in die Zelle des Kartenverkäufers steckt oder wenigstens das Gesicht so fest an die Scheibe zwischen sich und dem Verkäufer drückt, dass er den Sitzplan auf dem Bildschirm sehen kann. Dann pflegt er die Hand durch den Geldschlitz zu stecken und auf den Platz zu deuten, den er haben will; selbstverständlich mitten im Saal, nicht auf der Seite, und was die Höhe im Raum angeht, ebenfalls mitten vor der Leinwand. Also in Luftlinie gesehen zentral vor der Leinwand, sonst hat es keinen Zweck, ins Kino zu gehen, findet er. Er regt sich gründlich über die Größe von Kino 9 auf, kein Rang, wie soll man da in die richtige Höhe kommen. Aber er will es ausnahmsweise gut sein lassen, sagt er, schließlich ist KENDALL, mit seinen Worten, »ein Bengalischer Tiger von einem Film, also sozusagen von der Ausrottung durch Komödien und beschissene Correctness bedroht, aber an und für sich lebensgefährlich.«
Als sie wieder rauskommen, nachdem also Casco und Simpel Zeugen der Massenflucht des spärlichen Publikums geworden sind, was Simpel in eine sowohl sentimentale als auch rachsüchtige Stimmung versetzt hat, sagt er: »Du magst als Tiger noch so gefährlich sein; das hilft dir nichts, wenn deine Opfer dir mit der Waffe der Langeweile begegnen.«
Der Ausgang des Kinos führt in eine Nebenstraße, eine Seitengasse, Simpel und Casco wissen nicht so recht, wo sie gelandet sind, nachdem sie aus einem Kinofilm kommen, dauert es immer einen Moment, bevor sie wieder Orientierung haben. Es ist hundekalt, Simpel, der den ganzen Film über die Jacke anbehalten hat, fängt an zu frösteln und zu fluchen, sobald sie draußen sind. Sie schlendern aufs Geratewohl los. Casco ist keiner, der ein Gespräch in Gang bringt, und da Simpel weder über den Film noch über sonst was lossprudelt, herrscht erst mal Stille. KENDALL hat Simpel sichtlich irgendwie beeindruckt, etwas verstört starrt er unverwandt zu Boden. Er pustet Frostatem durch seinen Standardschal und hat sich die Standardmütze tief in die Stirn gezogen.
Casco lauscht den mitgehörten Bruchstücken von Gesprächen der zahllosen ihnen entgegenkommenden Freundinnenpaare in den Dreißigern, die sich einen schönen Abend in der Stadt machen. Sie kommen aus dem Theater oder dem Kino oder von einem Abendessen mit guten Freunden und gehen zu einer Fete oder ins Restaurant, und sie alle reden nichts als Mist. Scheiße quillt aus ihren Mündern. Allesamt haben sie sich aufgebrezelt, mit mittelprächtigem Erfolg, haben alles Mögliche in ihr Aussehen investiert und würden doch nie im Leben auf irgendwen irgendwie anziehend wirken. Casco denkt an die Ressourcen, die da in den Wind geblasen werden, in Form von Kosmetika undsoweiter, die wirkungslos auf hässlichen Visagen verteilt werden. Er sagt zu Simpel, man müsste mal einen Doku-Film machen über ein Schwein oder sonst eins von den Tieren, die zu Kosmetika gemacht werden, wie es klein gemahlen und zerkocht und dann in kleine sophisticatede Tiegelchen mit der Aufschrift Age Defying Complex oder Extreme Care gequetscht wird; diese Schweinecreme wird in ein hässliches Gesicht geschmiert, das dann einen ganzen verkorksten Abend lang damit herumläuft, null Aufmerksamkeit abbekommt, und irgendwann später in der Nacht wird die Matsche wieder weggewischt und weggewaschen und gluckert durch den Abfluss. Simpel äußert keinerlei Rückmeldung und Casco begreift, dass er besser den Mund hält, bis Simpel die weitere Tagesordnung zum Besten gibt. Also erzählt er auch nicht, dass er früher am Tage Tiptop bei Fazil getroffen hat. Simpels Handy läutet, und Casco hört mit:
– Simpel … Hei … Unterwegs … Casco … Kino … KENDALL … KENDALL … KENDALL YOU’RE BEING
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