The Cocka Hola Company: Roman
VIDEOTAPED … Nein … Ja … Amerikanisch … weiß nicht … bald … ja … jetzt? … Neun … na ja, so ne Stunde oder zwei … zehn, elf … Okay … ja, ja … schläft er? … hmmm … kannst du nicht … ruf doch einfach wieder an, wenn er kollabiert ist … Okay … nein, nicht nach elf … hmmm … ja, tschüss.
Nach dem »hei« ist Casco klar, dass es Motha sein muss, und er versucht, Simpel »Grüße!« zu signalisieren, indem er vor ihm herumwinkt und auf sich selber deutet usw., aber das kriegt Simpel nicht mit. Nachdem er mit Motha geredet hat, kommt Simpel bald wieder zu sich, sagt aber nichts zu KENDALL, sondern mosert stattdessen ein bisschen über die Passanten, deutet auf eine ca. dreißigjährige Person (männlich), die unter Haarausfall leidet und den traurigen Rest wasserstoffblond gebleicht hat, sagt: »Die letzten Zuckungen« und schaut Casco kichernd an. Casco kichert zurück. Dann sagt Simpel: »Ich halt’s wie mein Großvater selig: Für die Haare gilt dasselbe wie für alles andere auch. Freu dich, solange du’s hast.« Und dann kichert er noch mal. Sie kommen an einem weiblichen Wesen vorüber, das da sitzt, den Kopf zwischen den Beinen, und ganz offensichtlich schon seit ein paar Jahren so verharrt, und Simpel tut so, als würde er sich voll Bewunderung vor ihr auf die Knie werfen und ruft mit erhobenen Armen: »My HEROIN(E)!«, und dann kichert er und sieht wieder Casco an. Casco kichert auch. Die Stimmung steigt. Auch Cascos Laune bessert sich, und nach einer Weile verabschieden sie sich voneinander. (Motha hat noch mal angerufen: »Jetz schlaf de’ Kleine.«) KENDALL wird an dem Abend nicht mehr erwähnt.
FREITAG, 11. DEZEMBER, 12.00 H
(Tag des Infomeetings)
Speedo ist voll. So voll, dass er nasse Haare hat. Es ist zwölf Uhr. Mittags. Eine Art Instinkt – Gott weiß, welcher – treibt ihn an zu tun, was er zu tun hat. So unüberwindlich schwer ist das auch gar nicht. Er muss von einem Ort zum anderen wandern, genauer gesagt von einer Kneipe zur anderen. In der, aus der er gerade kommt, durfte er das Telefon nicht benutzen. In der anderen, in die er gerade kommt, darf er es benutzen. Soweit, so gut. Die eine heißt Bjørns Fan Pub , genannt Beim Bjørn oder BP . Die andere heißt Cyrano , genannt Rotz , seit sich der Besitzer vor etlichen Jahren für jedes der beiden Fenster den gebogenen Schriftzug Rotz aus grellroten Neonblinkleuchten zugelegt hat. Er macht nicht wenig Umsatz durch den Verkauf von Souvenirpostkarten, auf denen die Fenster zu sehen sind, unten leuchtet bescheiden Rotz , und überm Fenster steht Cyrano . Die Neonröhren im rechten Fenster sind ein bisschen altersschwach und summen beim Blinken BZZZZ … BZZZZ … BZZZZ … usw. Der übrigen Kundschaft ist das Summen wurscht, Speedo mag es. Er hat am rechten Fenster seinen Stammplatz. Von hier aus ins urbane Leben hinauszublicken (das genau genommen in dieser Gegend der Stadt – oder dieser Gegend der Welt – nicht unbedingt urban, aber doch relativ gesehen Leben ist), hier zu sitzen, während es rot blinkt und BZZZ macht, das vermittelt ihm eine Empfindung für die Vergänglichkeit der Zeit, so meint er. Speedo hat jede Menge von solchen Binsenweisheiten auf Lager.
Im Augenblick ist aber nichts mit Weisheit. Sein Instinkt hat ihn ins Cyrano geführt, an den Tresen, hinter dem Biijinez Aschenbecher säubert. Die nächste Herausforderung besteht in der Artikulation des Satzes: »Ein Bier, Biijinez, danke, geht auf die Rechnung von DESIREVOLUTION, wie immer, du weißt schon«, und dann muss er komplizenhaft mit dem Auge zwinkern. Aber schon an »Biijinez« scheitert er total. Speedo fängt viel zu früh an zu zwinkern, und zwar langsam und tolpatschig mit beiden Augen, was derart viel Konzentration braucht, dass er den Satzbau durcheinander bringt, ja, sogar völlig vergisst, was er sagen will. Aber das ist auch überflüssig, Biijinez weiß, was ansteht. Speedo schaut ihn an, die Lider hängen ihm bis über die Hälfte von Pupille und Iris runter. Um die Augen herum ist er schweißblank, obwohl es draußen hundekalt ist. Sein Haar kringelt sich auf seiner Stirn wie folkloristische Rankenmalerei. Auch sein Kinn ist schweißig. Der Hals rot geflammt.
– Geh säzz dich, Speedo, ich kommen und brringän deine Pils, sagt Biijinez.
Hinter dem Tresen klebt immer noch ein POST-IT-Zettel mit einer Telefonnummer, über der steht Evtl. Konflikt mit Alkoholbehörde/Speedo): Rauswurf oder Entzug der Lizenz,
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