The Cutting
diese eulenhafte Art an, die so typisch für sie war. Er kannte nur wenige Polizistinnen, die so wenig nach Polizistin aussahen wie sie. »Hab ich vergessen«, sagte sie. »Du isst ja nur Scotch und Steak.«
»Der Scotch war prima, aber zum Steak bin ich gar nicht erst gekommen. Nicht mal bis zum Tisch. Kyra setzt sich wahrscheinlich gerade zu einer Galeriebesitzerin, die wir zufällig dort getroffen haben.«
»Tja, tut mir leid, dass ich dich da so rausgerissen habe.«
»Ist ja nicht deine Schuld.«
McCabe und Savage brauchten keine fünf Minuten bis zum Fundort der Leiche. Ein paar schwarz-weiße Streifenwagen mit blinkenden Lichtern blockierten die Zufahrt. Maggie parkte hinter einem der Streifenwagen, und sie stiegen aus. McCabe schnappte sich eine Taschenlampe und ein Paar Latexhandschuhe aus dem Kofferraum.
Das Grundstück war eine kleine Industriebrache, die demnächst wieder bebaut werden sollte, ungefähr einen Hektar groß. Es war größtenteils von einem altersschwachen Maschendrahtzaun umgeben. Gelbes Polizei-Absperrband spannte sich über die Lücken im Zaun und etwa dreißig Meter tief in das Areal hinein. Überall lag rostiges Altmetall herum. Zwischen den Steinen kämpften ein paar einsame Gräser ums Überleben. Ansonsten waren nur Schmutz, ein Haufen Müll und eine Leiche zu sehen. Man würde sie noch identifizieren müssen, aber als sie näher kamen, war McCabe sich sicher, dass es sich um Katie Dubois handelte.
Selbst die leere, graue Blässe des Todes ließ noch erkennen, dass Katie einmal ein hübsches Gesicht gehabt hatte. Rundlich und mit Pausbäckchen. Schulterlanges, blondes Haar, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die geöffneten Augen waren getrübt und gaben nichts von dem unendlichen Schrecken preis, den man in den Augen eines Menschen zu finden erwartete, der weiß, dass man ihn gleich abschlachten wird. Denn genau das war mit ihr geschehen. Man hatte sie mit einem tiefen Schnitt, der vom Halsansatz bis knapp über ihren Bauchnabel reichte, praktisch in zwei Hälften geteilt. Die Hautlappen waren fein säuberlich wieder an Ort und Stelle geklappt worden. Auf ihren Brüsten und den Oberschenkeln in der Nähe der Genitalien waren runde Verbrennungswunden zu erkennen. Gut möglich, dass es an gerade nicht sichtbaren Körperstellen noch mehr davon gab.
Das Mädchen war nackt. Sie lag auf dem Rücken, mit angezogenen Knien und gespreizten Beinen, den einen Arm nach oben gestreckt, als griffe sie nach irgendetwas. Oder als wolle sie Rückenschwimmen. McCabe war sich sicher, dass sie nicht zufällig so dalag. Irgendjemand hatte die Leiche bewusst in genau dieser Position arrangiert.
Ein paar Minuten lang stand er nur da, betrachtete den Leichnam und ließ sich die Einzelheiten des Falles noch einmal durch den Kopf gehen. Katie Dubois war sechzehn Jahre alt. Seit Mittwoch letzter Woche wurde sie vermisst. Sie besuchte die Portland Highschool, war der unumstrittene Star ihres Fußballteams und nach einem Abend mit ihren Freundinnen nicht nach Hause gekommen. Sie war im Old Port zum letzten Mal gesehen worden, zusammen mit fünf anderen Jugendlichen. An jedem Laternenpfahl der Stadt hing ein Flugblatt mit einem Foto von ihr. Tom Tasco und Eddie Fraser leiteten die Ermittlungen. Sie waren erfahrene Beamte, und sie hatten keine Spur unverfolgt gelassen. McCabe hatte ihre beeindruckend gründlichen Ermittlungsberichte gelesen.
Keiner der anderen Jugendlichen hatte eine Vermutung, wohin Katie gegangen sein könnte. Ihr Freund, Ronnie Sobel, hatte den Beamten erzählt, dass er kurz mit ein paar anderen Bekannten geredet habe, und als er sich wieder umdrehte, sei Katie verschwunden gewesen. Eines der Mädchen hatte ausgesagt, dass es nicht ganz so gewesen sei. Sie behauptete, dass Katie und Sobel Streit gehabt hätten. Sie glaubte, es hatte etwas damit zu tun, dass Ronnie sich an ein anderes Mädchen herangemacht hätte, aber sicher war sie sich nicht. Jedenfalls, so sagte sie, sei Katie davongerannt, als Ronnie sich von ihr abgewandt hatte. Seither hatten die große Mehrzahl der Mitarbeiter des Portland Police Department sowie Dutzende von Freunden, Familienangehörigen und Freiwilligen nach ihr gesucht. Sie hatten die Stadt durchkämmt. Die nahegelegenen Salzwiesen des Scarborough Marsh. Viele Leute hatten geglaubt, dass sie irgendwann im Hafenbecken wieder auftauchen würde. War sie aber nicht. Sie war hier aufgetaucht.
McCabe spürte, wie die altvertraute Wut in ihm hochkochte. In Maine
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