The Dead Forest Bd. 2 Das Land der verlorenen Träume
nach, bis sie im Wald verschwunden war. Dann setzte sie ihren Weg fort, sehr viel müder als zuvor.
Kaum, dass sie sich der Farm der Chardos näherte, hörte sie auch schon das Hämmern aus der Scheune. Ein Gerüst aus frischem, hellem Holz kündete von einem neuen Anbau. Dahinter grasten ein paar Pferde auf der Koppel, darunter auch Chardo Peters Pferd Spider.
Auf der sonnigen Südseite des Hauses bot ein eingezäunter Garten einen einladenden, farbenprächtigen Anblick, und entlang des Holzzauns an der Straße wuchsen noch mehr Blumen. Gaia entdeckte schon den ersten Rainfarn, bevor sie auch nur die Straße verließ, und fasste neuen Mut. Vielleicht konnte sie ja auf dem Rückweg schon ein wenig davon mitnehmen und eine Tinktur für Peony zubereiten. Die rhythmischen Hammerschläge wurden lauter, je näher sie dem Scheunentor kam. Dann sah sie einen Mann, der gerade einen Nagel auf einer Holzkiste ansetzte, um ihn dann mit einem einzigen, zielsicheren Schlag zu versenken. Er trug braune Hosen und ein graues, ärmelloses Hemd und war ganz in seine Arbeit vertieft. Sägespäne sprenkelten sein Haar.
Schon richtete er den nächsten Nagel. Sie wollte ihn nicht erschrecken, aber sie wollte auch nicht den Eindruck machen zu spionieren. »Hallo«, sagte sie deshalb. »Ich hoffe, ich störe nicht.«
Der Mann drehte den Kopf und nahm einen Nagel aus seinem Mund.
»Junge Dame«, rief er überrascht. Dann zuckten seine Blicke zu einem Tisch hinter ihm, er legte den Hammer weg und breitete rasch ein Tuch über das, was auf dem Tisch lag.
»Wir haben uns noch nicht kennengelernt«, sagte er dann. »Ich bin Peters Bruder Will. Er ist aber nicht da. Wieder draußen auf Patrouille.« Trotz der Hitze griff er nach einem grauen, kurzärmligen Hemd, zog es über und knöpfte es zu.
»Ich weiß«, sagte sie und versuchte, Ähnlichkeiten zwischen ihm und dem Mann, der sie gerettet hatte, zu entdecken. Wills Gesicht war breiter, er war sauber rasiert und hatte ein markantes Kinn. Doch seine Stimme war genauso angenehm wie die seines Bruders.
»Er hatte ein wirklich schlechtes Gewissen wegen deiner Schwester«, sagte Will. »Er macht sich Gedanken, dass du es nicht verstehen wirst. Durftest du denn schon zu ihr?«
»Noch nicht«, sagte Gaia. »Weißt du, wo sie ist?«
Er schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber kann ich vielleicht sonst etwas für dich tun?«
»Norris riet mir, einen Blick in euren Garten zu werfen. Wir brauchen einen Kräutervorrat für meine Praxis. Dürfte ich mich vielleicht einmal umsehen? Von der Straße aus habe ich schon Rainfarn und Ginseng entdeckt.«
»Die Kräuter hat Peter angepflanzt. Manchmal bringt er sie von seinen Ausritten mit. Warte, ich führe dich kurz herum.«
»Ich wollte dich aber nicht bei der Arbeit stören«, sagte sie mit Blick auf den zugedeckten Tisch. »Ich sehe ja, dass du beschäftigt bist.«
»Das kann warten.«
Sie konnte sich von dem Anblick nicht losreißen, denn unter dem Stoff zeichnete sich deutlich ein menschlicher Umriss ab. Dann warf sie einen zweiten Blick auf die Kiste, an der er gearbeitet hatte. Sie hatte nichts mit dem Anbau zu tun, wie sie zuerst geglaubt hatte: Es war ein Sarg.
Sie machte einen Schritt zurück. »Es tut mir so leid. Das wusste ich nicht.«
Er lächelte gezwungen. »Ist schon in Ordnung. Mein Kunde ist sehr geduldig, der hat alle Zeit der Welt. Hat dir denn niemand gesagt, dass ich Morteur bin?«
»Nein.« Sie musste das erst noch verarbeiten. Er kümmerte sich also um die Leichen – sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass ein so junger Mann diese Arbeit verrichtete, aber da hatte sie offenbar falsch gelegen. Jetzt, da sie darauf achtete, konnte sie auch ganz schwach den ersten Hauch von Verwesung in der Scheune riechen.
»Gehen wir doch in den Garten«, sagte er.
Gaia aber machte noch einen Schritt in den Raum hinein. Sie war weder bei der Beerdigung ihres Vaters noch der ihrer Mutter dabei gewesen und konnte sich der Anziehungskraft des Todes an diesem Ort nicht entziehen.
Es verwirrte sie, wie seltsam vertraut es sich anfühlte. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Wer ist gestorben?«
»Ein alter Fischer, Jones Benny. Er hatte nie Kinder, aber er verstand sich gut mit seinen Neffen. Ich habe ihn auch immer gemocht. Morgen Abend an den Klippen findet die Gedenkfeier statt. Bei Sonnenuntergang – das war Bennys liebste Tageszeit.«
Wie sie sich wünschte, dass es so eine Zeremonie auch für ihre Eltern gegeben hätte!
»Das
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