The Doors
es egal, ob man schweigt oder ob man laut und deutlich seine Meinung sagt. Das kann in einer öffentlichen Versammlung geschehen, wo es den Leuten im Saal mit einem Mal so vorkommt, als würden sie denjenigen, der da spricht, nicht wiedererkennen, jemanden, den sie seit Jahren oder schon ihr Leben lang kennen, aber dem sie nie zugetraut hätten, dass er in der Lage sei, einen klaren Gedanken zu fassen; es kann auf einer Bühne geschehen, wenn sich ein Performer weigert, den Leuten im Publikum das zu geben, was sie von ihm erwarten, also das, weswegen sie in sein Konzert gekommen sind, und er ihnen, obwohl er ihre Erwartungen ganz genau kennt, stattdessen etwas anderes gibt.
Pump Up the Volume endet mit der obligatorischen Melodramatik. Die Vertreter von Recht und Ordnung – die für das Rundfunkwesen zuständige staatliche Aufsichtsbehörde FCC , die Schulbehörde, die Schulleitung – kommen dem Jungen nach und nach auf die Spur. Christian Slater und seine Mitverschwörerin Samantha Mathis werden von einem Behördenhubschrauber gejagt; Slater wird verhaftet und in einen Polizeiwagen gezerrt. Er winkt der Menge zu, die sich versammelt hat, um ihm zuzuhören, und dann erstarrt diese letzte Einstellung zu einem Standbild.
Man weiß nicht, was als Nächstes geschehen wird, sagte das Standbild am Ende von François Truffauts 1959 erschienenem Film Sie küssten und sie schlugen ihn . Im Laufe der Jahre ist dieses filmische Stilmittel selber erstarrt, zu einem Klischee geworden, bis es schließlich das Gegenteil bedeutete: Es ist vorbei, man kann das Kino verlassen, das Ganze ist nie geschehen, es ist bloß ein Film gewesen, und jetzt ist alles zu Ende.
Doch Pump Up the Volume endet nicht auf diese Weise. Nach dem Standbild wird die Leinwand schwarz, und dann beginnen Stimmen zu ertönen: erst zwei, dann drei, dann vier und schließlich immer mehr Stimmen, die einander überlagern, die leiser und lauter werden, ein geheimer Discjockey nach dem anderen, Männer und Frauen, von Maine bis Kalifornien und in sämtlichen Bundesstaaten dazwischen, und jede dieser Stimmen sagt: Hallo – keiner weiß, was als Nächstes passieren wird, ich am allerwenigsten .
Es ist ein sentimentales Ende. Es ist eine Fantasie. Es ist der Einfall eines Sixties-Typen namens Allan Moyle, der den Film geschrieben und inszeniert hat. Diese Szene brach mir das Herz, und sie ließ es höherschlagen – sie bewirkte genau das, was ein sentimentales Filmende bewirken soll: Sie ließ etwas real erscheinen, was nicht real ist. Aber das Ganze wirkte nicht hohl, nicht willkürlich. Die wichtigste, sentimentalste Zeile klang für mich echt: Samantha Mathis, wie sie zu dem DJ sagt, mit Worten, die fast zwanzig Jahre später überall in den USA widerhallen sollten, als Barack Obama für das Präsidentenamt kandidierte: »Du bist die Stimme, auf die du immer gewartet hast.«
In der besten Musik der Doors oder, genauer gesagt, in bestimmten Momenten davon – etwa in der letzten, langsamen, unerbittlich verklingenden Minute von »The End« – kann man einen Menschen hören, der davon überzeugt ist, dass es sich lohnt, ihm zuzuhören, dass man sich anhören sollte, was er zu sagen hat. Und dann löst sich alles in Luft auf; dieser Mensch verlässt die Bühne und kehrt nie wieder zurück.
Die Sixties lassen sich am wohlwollendsten als eine Zeit charakterisieren, in der die Leute sich engagierten – in der sie aus sich heraustraten und in der Öffentlichkeit agierten, als Menschen, die nicht wussten, was als Nächstes passieren würde, aber die sich sicher waren, dass Akte, die mit einem echten Risiko und mit echter Angst verbunden waren, eine bessere Welt hervorbringen würden als die, die sie als selbstverständlich betrachten sollten. Dieser Geist findet sich in den Anfangsjahren der Bürgerrechtsbewegung, als einige Aktivisten ihr gesellschaftliches Engagement mit dem Leben bezahlten, und man kann ihn in bestimmten Songs finden. Die Sixties waren aber auch eine Zeit, in der sich Leute, die hätten handeln können, und auch diejenigen, die tatsächlich handelten oder die es sich einbildeten, zu einem Publikum zusammenfanden, das vor allem zuschauen wollte. »The Whole World Is Watching« war eine infantile Ironie: Leute gingen auf die Straße, sie skandierten Parolen, sie hielten Reden, sie belagerten Gebäude, sie stellten sich der Polizei in den Weg, und dann eilten sie nach Hause, um sich in den Abendnachrichten zu sehen, um ein Publikum für ihre
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